Die Übertragung von Rentenanwartschaften im Zuge eines Scheidungsverfahrens ist in der Regel endgültig. Selbst wenn der vom Versorgungsausgleich begünstigte (Ex-)Ehepartner stirbt, kommt eine Rückabwicklung nur in engen Grenzen in Betracht. Sie ist ausgeschlossen, wenn der Begünstigte die Rente bereits länger als drei Jahre bezogen hat. Das hat das Sozialgericht Berlin entschieden.
Darum geht es
Die 1952 geborene Klägerin aus Berlin und ihr Ehemann ließen sich 2008 nach 31 Jahren Ehe scheiden. Das zuständige Familiengericht verurteilte die Klägerin im Rahmen des sogenannten Versorgungsausgleichs, an ihren Mann Rentenansprüche im Wert von monatlich fast 300 € zu übertragen. Ein halbes Jahr nach der Scheidung ging ihr Ex-Mann in Ruhestand. Nicht einmal fünf Jahre lang - von 2009 bis zu seinem Tod im Februar 2014 - bezog er Regelaltersrente unter Inanspruchnahme der übertragenen Anwartschaften.
Mit ihrer im Mai 2014 erhobenen Klage begehrte die Klägerin von der beklagten Deutschen Rentenversicherung Bund die Rückgängigmachung ihrer Rentenkürzung. Zumindest ab dem Jahr 2023, also fünf Jahre nach ihrem eigenen Renteneintritt, sei die Kürzung nicht mehr gerechtfertigt, denn ihr Ex-Mann habe die aus den übertragenen Anwartschaften errechnete Rente ja auch nur fünf Jahre bezogen. Der vollständige Verlust ihrer eigenen Anwartschaften sei willkürlich und unverhältnismäßig.
Der Verstorbene habe aus dem Anrecht insgesamt Rentenzahlungen in Höhe von nur 17.700 € erhalten, während sie selbst 73.800 € an Beitragszahlungen aufbringen müsste, wenn sie die Lücke in ihrer Rentenanwartschaft wieder auffüllen wollte. Die Kürzung sei zudem auch grob unbillig. Nur weil es der Verstorbene zu Lebzeiten versäumt habe, eine ausreichende Altersversorgung aufzubauen, müsse sie nun eine Halbierung ihrer in der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaft hinnehmen.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Sozialgericht Berlin (in der Besetzung mit einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern) die Klage nach mündlicher Verhandlung abgewiesen.
Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Rückgängigmachung der im Zuge des Versorgungsausgleichs erfolgten Rentenkürzung. Zwar sei die ausgleichsberechtigte Person, hier also der Ehemann, gestorben. Er habe die Versorgung aus den übertragenen Rentenansprüchen aber bereits länger als drei Jahre, nämlich knapp fünf Jahre, bezogen. Eine Anpassung der Rentenansprüche sehe das Gesetz deshalb aus zeitlichen Gründen nicht mehr vor (vgl. § 37 Versorgungsausgleichsgesetz).
Den Einwand, dass die Halbierung ihrer Rentenansprüche im Zuge des Versorgungsausgleichs grob unbillig sei, könne die Klägerin nicht mehr erheben. Sie hätte diesen Punkt vielmehr schon im Scheidungsverfahren vor dem Familiengericht vorbringen müssen.
Die Ausgleichsvorschriften seien auch nicht verfassungswidrig, wie bereits das Bundessozialgericht entschieden habe. Nach einer Scheidung und dem damit einhergehenden Versorgungsausgleich gebe es zwei selbständige Versicherungsverhältnisse. Deren rentenrechtliches Schicksal sei grundsätzlich getrennt zu b€teilen.
Für den Härtefall, dass der vom Versorgungsausgleich begünstigte Ehepartner vor dem belasteten stirbt, habe der Gesetzgeber zwar eine Rückabwicklung ermöglichen müssen. Er habe hierfür jedoch im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit eine Ausschlussfrist setzen dürfen. Die gewählte zeitliche Grenze von drei Jahren Rentenbezug des Begünstigten sei sachlich vertretbar und verhältnismäßig.
Eine gesetzliche Lösung, die jeweils auf die individuellen Verhältnisse des Einzelfalles Rücksicht nehme, sei nicht möglich gewesen. Sie sei dem System der Sozialversicherung und überhaupt dem Wesen einer jeden Versicherung auch fremd. Wenn es in einem Falle zu keiner oder nur zu einer geringen Leistung komme, werde dies in einem anderen Fall durch überdurchschnittlich lange Leistungen wieder ausgeglichen. Gerade Rentenversicherungsansprüche seien Bestandteil eines Leistungssystems, dem eine besondere soziale Funktion zukomme. Die Berechtigung des einzelnen lasse sich nicht von den Rechten und Pflichten anderer lösen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Klägerin hat es mit der Berufung bei des Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in Potsdam angefochten (dortiges Aktenzeichen L 27 R 740/16).
Sozialgericht Berlin, Urt. v. 15.08.2016 - S 10 R 5245/14
Quelle: Sozialgericht Berlin, Pressemitteilung v. 29.09.2016