Sozialrecht, Familienrecht -

„Saldierungsabrede“ beim Versorgungsausgleich

Beim Versorgungsausgleich wird ein Anspruch des ausgleichspflichtigen Ehegatten, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte verpflichtet wird, einer gewünschten „Saldierungsabrede“ zuzustimmen, grundsätzlich nicht anerkannt. Das hat das Kammergericht Berlin entschieden. Betroffene Beamte sollten deshalb zunächst versuchen, eine freiwillige Verrechnungsvereinbarung zu erreichen.

Sachverhalt

Die Versorgungsanrechte eines Landesbeamten sind nach § 16 Abs. 1 VersAusglG extern zu teilen. Im Umfang des Ausgleichswerts verliert er seine Anrechte, wohingegen sein Ehegatte Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erhält. Ist dieser in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert, werden dem Landesbeamten im Gegenzug durch interne Teilung nach § 10 Abs. 1 VersAusglG Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung im Umfang des Ausgleichswerts übertragen. Im Umfang der übereinstimmenden Ausgleichswerte stellt sich dies für den gesetzlich versicherten Ehegatten wie ein Austausch dar. Der Landesbeamte wiederum wird i.d.R. ein Interesse an einer möglichst weitgehenden Erhaltung seiner Beamtenversorgung haben. Welche besonderen Rechtsfolgen knüpfen daran an?

Im vorliegenden Fall ist der Ehemann Landesbeamter und seine Ehefrau gesetzlich rentenversichert. Daneben hat der Ehemann Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung und die Ehefrau ein Anrecht auf eine betrieblichen Altersversorgung. Mit seinem Scheidungsverbundbeschluss hat das Familiengericht den Versorgungsausgleich durchgeführt und die jeweiligen Anrechte der Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung intern geteilt, das Anrecht des Ehemannes auf eine Beamtenversorgung durch Begründung eines Anrechts zugunsten der Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung extern geteilt und schließlich ein Anrecht der Ehefrau auf eine betriebliche Altersversorgung extern geteilt.

Dagegen wendet sich der Ehemann mit seiner Beschwerde, weil er der Auffassung ist, die Ehefrau sei zur Zustimmung zu der von ihm geforderten Saldierungsabrede zu verpflichten, wonach die rechnerisch ihm zustehende Hälfte der ehezeitlichen Anrechte der Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung zunächst intern mit dem Anspruch der Ehefrau auf wertmäßig hälftige Beteiligung an seiner Beamtenpension zu saldieren sei.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Nachdem die Ehegatten im Verlauf des Beschwerdeverfahrens in notarieller Urkunde den Versorgungsausgleich modifiziert und dabei vereinbart haben, dass der Ehemann auf die Übertragung der ihm eigentlich zustehenden hälftigen Anrechte der Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung verzichtet, wohingegen die Ehefrau im Gegenzug auf denjenigen Teil der Anrechte auf Beamtenversorgung des Ehemannes verzichtet, der wertmäßig den Anrechten entspricht, die sie aus ihrer gesetzlichen Rentenversicherung an den Ehemann hätte übertragen müssen, ändert das Kammergericht auf dieser Grundlage den Versorgungsausgleich ab.

Im Verfahren hat das Kammergericht dargelegt, dass es ganz erhebliche Zweifel habe, ob der Abschluss einer derartigen Verrechnungsvereinbarung gegen den Willen eines Ehegatten durchgesetzt werden kann. Aus der Verpflichtung der Beteiligten zur ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 Abs. 1 BGB) dürfte sich ein entsprechender Anspruch kaum ergeben, weil beim Maß der ehelichen Solidarität danach zu differenzieren ist, ob Solidarität in einer intakten Ehe, zwischen getrennt lebenden Ehegatten oder zwischen geschiedenen Ehegatten eingefordert wird.

Der Hinweis, dass § 1353 BGB die Grundlage für eine ganze Reihe nachehelicher Solidaritätspflichten zwischen den Ehegatten bildet, führt ebenfalls nicht weiter, weil es für die vorliegende Konstellation gerade keine gesetzliche Regelung gibt, die eine derartige Rechtsfolge – die Saldierung – anordnet. Im Gegenteil sieht das Gesetz ausdrücklich vor, dass jedes einzelne Versorgungsanrecht separat betrachtet und innerhalb des jeweiligen Systems intern oder bei landesrechtlichen Beamtenversorgungen extern geteilt wird. Von der Regelung in § 16 Abs. 1 VersAusglG kann nur im Konsens, durch eine einvernehmlich getroffene Regelung, abgewichen werden.

Folgerungen aus der Entscheidung

Dies ist wohl die erste obergerichtliche Entscheidung ihrer Art, die sich ausführlich mit dieser Problematik befasst. Dagegen hat das Amtsgericht Oranienburg (Beschl. v. 24.04.2015 – 38 F 3/15) genau andersherum entschieden und einem Landesbeamten einen entsprechenden Anspruch zuerkannt.

Zu loben ist, dass sich das Kammergericht – was es wegen der im Beschwerdeverfahren geschlossenen notariellen Vereinbarung überhaupt nicht musste – in seiner Entscheidung zu der Problematik positioniert. Allerdings: Warum ein gesetzlich versicherter Ehegatte auf einer gesetzlichen Regelung, die für ihn ein reines Nullsummenspiel bedeutet und an deren Durchführung er im Umfang der Verrechnung keinerlei schützenswertes Interesse hat, beharren darf und dadurch dem anderen Ehegatten schaden könnte, erschließt sich nicht.

Ebenso wenig ist nachvollziehbar, weshalb die nachehelichen Solidaritätspflichten zwischen den Ehegatten beim Versorgungsausgleich als Teil des ehelichen Vermögensrechts schwächer ausgeprägt sein sollten als in anderen rechtlichen Beziehungen der Ehegatten. Auch beim nachehelichen Unterhalt kann die eheliche Solidarität im Rahmen des § 1578b BGB noch Jahre und sogar Jahrzehnte nach der Scheidung fortwirken. Dies ließe sich wohl nur lösen, indem man dem Beamten in einer solchen Konstellation einen Anspruch (aufgrund der nachehelichen Solidarität, zumindest aber aus § 242 BGB) zubilligt.

Praxishinweis

Diese Problematik betrifft vor allem Landesbeamte. Egal wie er sich zu einer erzwungenen Verrechnungsabrede positioniert, muss der den Beamten vertretende Rechtsberater jedenfalls auf den Abschluss einer freiwilligen Verrechnungsvereinbarung dringen. Wird dieser in erster Instanz verweigert, sollte der strittige Anspruch ggf. in der Beschwerdeinstanz geltend gemacht werden, solange der BGH über die Problematik noch nicht entschieden hat oder noch keine eindeutige obergerichtliche Rechtsprechung existiert.

KG Berlin, Beschl. v. 07.03.2016 - 13 UF 178/15

Quelle: Richter am OLG Frank Götsche, Brandenburg an der Havel