Bei kapitalgedeckten Versorgungen sind auch solche Überschussanteile, die erst nach dem Ehezeitende ausgewiesen werden, in den Versorgungsausgleich einzubeziehen. Das hat der BGH entschieden. Damit haben die BGH-Richter die Auswirkungen von laufenden Rentenleistungen nach Beendigung der Ehe bis zur Rechtskraft der Entscheidung näher bestimmt. Dies ist in solchen Fällen umstritten.
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten im Versorgungsausgleich über den Ausgleich betrieblicher Anrechte bei einer Pensionskasse und einer rückgedeckten Unterstützungskasse, aus denen der ausgleichspflichtige Ehegatte bereits eine laufende Altersversorgung bezieht. Da das Rentnerprivileg nicht mehr existiert, wird seine Rente bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs gekürzt. Auf welcher Grundlage geschieht dies, wenn durch die Rentenzahlungen nach dem Ehezeitende bis zur Rechtskraft der Entscheidung ein „Kapitalverzehr“ eingesetzt hat?
Das Familiengericht und, diesem folgend, das OLG haben die betrieblichen Altersversorgungen des Ehemannes jeweils intern durch die Übertragung monatlicher Anrechte geteilt. Die entsprechenden Ausgleichswerte beruhen auf Auskünften, die erhöhend die nachehezeitliche vertragliche Verzinsung von 4 % und die nachehezeitliche Überschussbeteiligung sowie mindernd die zum Zeitpunkt der Auskunftserteilung bereits erbrachten Renten berücksichtigen.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Der BGH bestätigt dies zunächst dahin gehend, dass die Überschussanteile, bestehend aus Schlussüberschüssen und Bewertungsreserven, in den Wertausgleich einzubeziehen sind. Denn soweit das Anrecht auf Teilhabe an den Überschussanteilen während der Ehezeit erworben wurde, gebührt es nach dem Halbteilungsgrundsatz beiden Ehegatten gemeinsam. Ob die erst nach dem Ende der Ehezeit mit dem Eintritt in die Leistungsphase ausgewiesene Überschussbeteiligung ebenfalls zu berücksichtigen ist, lässt der BGH dahinstehen.
Zutreffend ist die Behandlung der Unterstützungskasse als Versorgungsträger i.S.d. VersAusglG. Allerdings ist der laufende nachehezeitliche Rentenbezug aus dem Anrecht bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs zu berücksichtigen, wenn damit – wie es bei kapitalgedeckten Versorgungen der Fall ist – ein Barwertverzehr einhergeht. Denn nur die zum Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung noch vorhandenen, dem Versorgungsausgleich unterfallenden Anrechte können in diesen einbezogen werden (BGH, Beschl. v. 01.04.2015 – XII ZB 701/13 und Beschl. v. 18.04.2012 – XII ZB 325/11).
Anderenfalls käme es zu einer übermäßigen Inanspruchnahme des Versorgungsträgers, weil dieser bereits aus dem noch zu übertragenden Ehezeitanteil laufende Leistungen an den Ausgleichspflichtigen erbringen musste, die sich nach der Durchführung des Versorgungsausgleichs als überproportional zu dem bei ihm nur anteilig verbleibenden Anrecht darstellen würden.
Deswegen ist die zwischen dem Ehezeitende und der Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich eingetretene oder noch zu erwartende Barwertminderung des zu teilenden Anrechts i.d.R. im Wege eines gleichmäßigen Abzugs auf beide Ehegatten zu verteilen, indem der Ausgleichswert zeitnah zur Entscheidung über den Versorgungsausgleich oder vorausschauend auf den Zeitpunkt der mutmaßlichen Rechtskraft ermittelt wird. Kann der Halbteilungsgrundsatz durch den Ausgleich des noch vorhandenen Barwerts nicht vollständig erfüllt werden, können Anrechte des ausgleichsberechtigten Ehegatten gem. § 27 VersAusglG vom Versorgungsausgleich ausgenommen werden.
Folgerungen aus der Entscheidung
Wie sich der planmäßige laufende Bezug einer Rente des Ausgleichspflichtigen aus einer kapitalbildenden betrieblichen Altersversorgung zwischen dem Ehezeitende und der Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich auswirkt, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
Nach einer verbreiteten Auffassung wird das in der Ansparphase gebildete Deckungskapital durch einen laufenden Rentenbezug nach dem Eintritt des Versorgungsfalls im Sinne eines „Kapitalverzehrs“ gemindert und kann nur noch mit dem vorhandenen Wert zwischen den Ehegatten ausgeglichen werden. Der laufende Rentenbezug bedeute nämlich eine auf den Ehezeitanteil zurückwirkende rechtliche oder tatsächliche Veränderung i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG. Nach einer Gegenauffassung hat dies i.d.R. keinen Einfluss auf die Bewertung des Ehezeitanteils, weil keine rechtliche oder tatsächliche Veränderung nach dem Ende der Ehezeit vorliege, die auf den Ehezeitanteil des auszugleichenden Anrechts zurückwirke.
Der BGH lehnt zwar die Anwendung des § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG ab, folgt aber im Ansatz der ersten Auffassung. Der Wertverzehr ist also zu berücksichtigen und möglichst zeitnah zur gerichtlichen Entscheidung durch Rückfrage beim Versorgungsträger zu ermitteln. Auf dieser Grundlage wird (intern/extern) geteilt.
Das kann dem Halbteilungsgrundsatz gerecht werden, wenn sich die vom Ausgleichspflichtigen aus dem noch ungeteilten Anrecht bezogenen Leistungen im Rahmen einer Unterhaltsberechnung ausgewirkt haben. Anderenfalls sind die gesetzlich eröffneten Korrekturmöglichkeiten zu prüfen. Insbesondere kann der Halbteilungsgedanke dann dadurch verwirklicht werden, dass Anrechte des ausgleichsberechtigten Ehegatten, die in umgekehrter Richtung auszugleichen wären, ganz oder teilweise gem. § 27 VersAusglG vom Versorgungsausgleich ausgenommen werden.
Praxishinweis
Die Überalterung der Gesellschaft lässt erwarten, dass sich die Rentenbezugsfälle in Zukunft häufen werden. Die mit einem Rentenbezug verbundenen Probleme stellen sich aber nur bei Versorgungen, die kapitalwertbezogen sind. Gegenbeispiel (nach Hauß, FamRB 2010, 251, 252): Der Ehemann erwarb in der Ehezeit 20 Entgeltpunkte in der gesetzlichen Rentenversicherung. Er ist mittlerweile Rentner und bezieht bez. auf die genannten Ehezeitanteile eine monatliche Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Wird z.B. erst nach fünf Jahren über den Versorgungsausgleich entschieden und hat der Ehemann während dieser Zeit die Renten in der genannten Höhe bezogen, verliert er zwar 10 Entgeltpunkte, behält aber dennoch die anderen 10 Entgeltpunkte seiner Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Dass er bereits zuvor eine ungekürzte Rente aus 20 Entgeltpunkten bezogen hat, spielt hier keine Rolle, da die gesetzliche Rentenversicherung nicht nach dem Kapitaldeckungsprinzip, sondern nach dem Umverteilungsprinzip/Generationenvertrag arbeitet. Die damit verbundenen Mehrkosten trägt de facto die Versichertengemeinschaft.
BGH, Beschl. v. 17.02.2016 – XII ZB 447/13
Quelle: Richter am OLG Frank Götsche, Brandenburg an der Havel