Hat eine Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch einem Versicherten Kosten für die selbstbeschaffte Leistung entstanden, muss die Krankenkasse diese erstatten. Dies gilt auch, wenn Ärzte zunächst fehlerhaft eine Krankheit diagnostiziert haben, die eine Leistungsablehnung seitens der Krankenkasse gerechtfertigt hätte. Das hat das Hessische LSG entschieden.
Darum geht es
Ein 66-jähriger Versicherter leidet an einer multimodalen Sensibilitätsstörung der unteren Extremitäten. Zunächst wurde eine Ganglionitis diagnostiziert, die mittels Immunglobulinen im Rahmen eines „Off-label-use“ (Einsatz von Medikamenten außerhalb des arzneimittelrechtlich zugelassenen Anwendungsbereichs) behandelt werden sollte.
Die Krankenkasse lehnte die Kostenübernahme hierfür ab, weil die Voraussetzungen für einen Off-label-use nicht vorlägen.
Der Versicherte ließ sich daraufhin auf eigene Kosten entsprechend behandeln und klagte auf Kostenerstattung. Medizinische Gutachten ergaben, dass keine Ganglionitis, sondern eine autoimmun bedingte Entzündung der Spinalhinterwurzel vorliege.
Zur Behandlung dieser Erkrankung seien die verabreichten Immunglobulinen zugelassen. Die Krankenkasse berief sich jedoch darauf, dass zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung noch eine andere Diagnose erstellt worden sei. Daher habe sie die beantragte Kostenübernahme nicht zu Unrecht abgelehnt.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Hessische Landessozialgericht gab dem Versicherten Recht. Die Krankenkasse muss Kosten für Immunglobulin-Therapie erstatten. Der Kostenerstattungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte beruht auf § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V.
Für die Behandlung der objektiv vorliegenden Erkrankung sei von Anbeginn der Einsatz von Immunglobulinen zugelassen und medizinisch indiziert gewesen. Damit sei die Leistung zu Unrecht abgelehnt worden.
Hat eine Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch einem Versicherten Kosten für die selbstbeschaffte notwendige Leistung entstanden, sind diese von der Krankenkasse zu erstatten.
Dies gelte auch, wenn die behandelnden Ärzte zunächst fehlerhaft eine Krankheit diagnostizierten, die eine Leistungsablehnung seitens der Krankenkasse gerechtfertigt hätte.
Die Krankenkasse könne sich insoweit nicht erfolgreich auf Diagnosefehler von Ärzten berufen. Denn dies würde den Verantwortungszusammenhang im System der Gesetzlichen Krankenversicherung „auf den Kopf stellen“.
Die Revision wurde nicht zugelassen.
Hessisches LSG, Urt. v. 10.09.2020 - L 8 KR 687/18
Quelle: Hessisches LSG, Pressemitteilung v. 26.10.2020