Verzögert sich ein Gerichtsverfahren, weil der zuständige Richter erkrankt, kann das eine Entschädigungspflicht des Staates begründen. Das hat das Bundessozialgericht entschieden. Eine Verfahrensdauer von regelmäßig bis zu zwölf Monaten je Instanz ist demnach noch als angemessen anzusehen. Im Streitfall handelte es sich um ein Klageverfahren gegen die Bundesagentur für Arbeit.
Darum geht es
Der Kläger hatte 4.700 € Entschädigung verlangt, weil sein Klageverfahren beim Sozialgericht Berlin gegen die Bundesagentur für Arbeit über den Erlass einer Darlehensschuld mehr als viereinhalb Jahre gedauert hatte.
Die lange Verfahrensdauer beruhte unter anderem auf erheblichen Krankheitszeiten des zunächst zuständigen Kammervorsitzenden. Das Landessozialgericht als Vorinstanz hatte drei Monate der krankheitsbedingten Verzögerung pauschal als Fall höherer Gewalt angesehen und insoweit eine Entschädigung abgelehnt.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers war vor dem Bundessozialgericht (BSG) teilweise erfolgreich.
Dem Kläger stehen weitere 300 € Geldentschädigung wegen der überlangen Dauer des Ausgangsverfahrens zu. Aufgrund dessen erhält der Kläger nun insgesamt 2.800 € Entschädigung für seinen immateriellen Schaden.
Der Staat schulde Rechtsuchenden eine ausreichende personelle und sachliche Ausstattung der Justiz. Dazu gehörten personelle Vorkehrungen für Erkrankungen des richterlichen Personals und andere übliche Ausfallzeiten.
Diese müssten insbesondere eine wirksame Vertretung und falls erforderlich eine zügige Umverteilung der Geschäfte ermöglichen. Verzögert sich das Verfahren trotzdem wegen der Erkrankung des zuständigen Richters, können Betroffene Entschädigung verlangen, soweit deren sonstige Voraussetzungen vorliegen.
Das BSG hält an seiner ständigen Rechtsprechung fest, dass eine Verfahrensdauer von regelmäßig bis zu zwölf Monaten je Instanz als angemessen anzusehen ist. Deshalb habe das Entschädigungsgericht dem Ausgangsgericht zu Recht eine zwölfmonatige Vorbereitungs- und Bedenkzeit zugebilligt.
Allerdings habe das Entschädigungsgericht zu Unrecht drei Monate wegen Krankheit des Kammervorsitzenden des Ausgangsgerichts pauschal als höhere Gewalt angesehen und als nicht entschädigungspflichtige Zeit bewertet.
Insoweit verweist das BSG auf den Geschäftsverteilungsplan, der Richter zur Vertretung bestimmt. Im Übrigen seien Verzögerungen ebenso wie andere Ausfallzeiten von Richtern grundsätzlich mit der zwölfmonatigen Vorbereitungs- und Bedenkzeit abgegolten.
Etwas anderes kann nach dem BSG aber dann gelten, wenn wegen der Erkrankung des zuständigen Richters ein bereits anberaumter Termin kurzfristig verschoben werden muss. Eine solche unvermeidbare Störung des Verfahrensablaufs begründe keine Entschädigungspflicht.
BSG, Urt. v. 24.03.2022 - B 10 ÜG 2/20 R
Quelle: BSG, Pressemitteilung und Terminbericht v. 25.03.2022