Sozialrecht, Arbeitsrecht -

Grundsicherung: Keine Anrechnung von Energie-Geld

Die wegen gestiegener Energiekosten von der Stadt Kassel gewährte Einmalzahlung von 75 € mindert nicht die Grundsicherungsleistungen. Das hat das Hessische LSG entschieden. Demnach sind Zuwendungen, für die keine rechtliche oder sittliche Pflicht besteht, nicht als Einkommen zu berücksichtigen - jedenfalls dann, wenn die wirtschaftliche Lage nicht entscheidend verbessert wird.

Darum geht es

Im Juli 2022 beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Kassel das Programm „Kopf hoch, Kassel! - Einwohner-Energie-Geld (EEG)“, mit welchem die Belastungen durch die gestiegenen Energiekosten abgemildert werden sollten. 

Allen Einwohnerinnen und Einwohner wurde auf Antrag eine einmalige, nicht rückzahlbare Zuwendung in Höhe von 75 € gewährt.

Diese Zuwendung erhielt auch eine Familie mit vier minderjährigen Kindern. Deren Grundsicherungsleistungen (2022 noch „Hartz IV“, jetzt: „Bürgergeld“) minderte daraufhin jedoch das Jobcenter. 

Das EEG diene dem gleichen Zweck wie die Leistungen nach dem SGB II und sei daher als Einkommen zu berücksichtigen.

Die betroffene Familie verwies hingegen darauf, dass es sich um eine zweckgebundene Zahlung handele. 

Auch nach Ansicht des Magistrats der Stadt Kassel sei eine Anrechnung des EEG grob unbillig bzw. stelle eine besondere Härte dar, weshalb die Stadt als zuständiger Träger der Sozialhilfeleistungen (SGB XII) das EEG nicht als Einkommen anrechne.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat entschieden, dass das EEG nicht als Einkommen anzurechnen sei. 

Es handelt sich demnach um eine Zuwendung, welche die Stadt Kassel allen Bürgerinnen und Bürgern gewährt habe, ohne dass hierfür eine rechtliche oder sittliche Pflicht bestanden hätte.

Die Berücksichtigung des EEG als Einkommen sei zwar nicht grob unbillig, weil das Jobcenter die höheren Heizkosten übernommen habe und das seit Januar 2023 gewährte höhere Bürgergeld die gestiegenen Stromkosten auffange.

Allerdings sei die Lage der klagenden Familie durch das EEG nicht so günstig beeinflusst worden, dass daneben Grundsicherungsleistungen nicht gerechtfertigt wären. 

Als Maßstab gelte insoweit, dass die Zuwendung 10 % des jeweiligen Regelbedarfs nicht übersteige. Solle eine Einmalzahlung über mehrere Monate entlasten, sei der Betrag entsprechend aufzuteilen. 

Im Fall der Kläger werde - selbst wenn man das EEG nur auf die Monate Oktober bis Dezember 2022 verteile - hiernach die Grenze von 10 % nicht überschritten. Das EEG sei daher bei der Berechnung der Grundsicherungsleistungen nicht mindernd zu berücksichtigen.

Die Revision wurde zugelassen.

Hessisches LSG, Urt. v. 17.07.2024 - L 6 AS 310/23 

Quelle: Hessisches LSG, Pressemitteilung v. 15.08.2024

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