Beim Bezug von Grundsicherungsleistungen wird Kindergeldberechtigten das Kindergeld auch dann als Einkommen zugerechnet, wenn das Kindergeld von der Familienkasse an ein volljähriges Kind im Haushalt ausgezahlt wird. Die gesetzlich normierte Zuordnung des Kindergeldes kann nicht durch die Änderung des Auszahlungsweges umgangen werden. Das hat das Sozialgericht Speyer entschieden.
Darum geht es
Die 1996 geborene Klägerin bezog vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Jobcenter.
Sie bildete in diesem Zeitraum mit ihren Eltern eine Bedarfsgemeinschaft und wohnte außerdem mit ihrer Großmutter sowie ihrem 1994 geborenen Bruder in einem Einfamilienhaus ohne abgetrennte Wohnbereiche. Ihr Bruder verfügte über Vermögen.
Bei der abschließenden Festsetzung der Leistungen nach dem SGB II berücksichtigte das Jobcenter u.a. das für den Bruder der Klägerin gewährte Kindergeld beim Vater als Einkommen, obwohl dieses von der Familienkasse auf Anweisung des Vaters auf das Girokonto des Bruders ausbezahlt wurde. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Die vor dem Sozialgericht Speyer am 19.10.2020 erhobene Klage wurde abgewiesen. Es verbleibt nach dem Gericht bei der grundsätzlichen Zuordnung des Kindergeldes nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II als Einkommen des Kindergeldberechtigten (hier des Vaters).
Beide Voraussetzungen der in § 11 Abs. 1 Satz 5 SGB VII gesetzlich vorgesehenen Ausnahme lägen beim Bruder der Klägerin nicht vor.
Dieser sei weder Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, noch benötige er das Kindergeld zur Sicherung des Lebensunterhalts, weil er diesen durch das zu berücksichtigende Vermögen nach § 12 Abs. 1 SGB II sichern könne.
Die Berücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen des Vaters entfalle auch nicht nach der weiteren Ausnahme des § 1 Abs. 1 Nr. 8 Alg II-V.
Zwar wurde das Kindergeld an den Bruder weitergeleitet. Dieser lebe jedoch im Haushalt des kindergeldberechtigten Vaters.
Dem Bruder habe kein abgetrennter Wohnbereich im gemeinsam bewohnten Einfamilienhaus zur Verfügung gestanden, er habe sich auch nicht finanziell an den Kosten beteiligt, sondern sei im elterlichen Haushalt mitversorgt worden.
Auch der Umstand, dass die tatsächliche Auszahlung des Kindergeldes auf das Konto des Bruders erfolgte, könne an der grundsätzlichen Zuordnung des Kindergeldes als Einkommen des Vaters nichts ändern.
Das Sozialgericht stellte hierbei klar, dass es seinen Überlegungen zugrunde gelegt hat, dass kein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft eine Bevollmächtigung für das Konto des Bruders innehatte.
Die gesetzlich normierte Zuordnung des Kindergeldes beim Kindergeldberechtigten könne nicht durch die einfache Änderung des Auszahlungsweges umgangen werden.
Hierin sei eine Weiterleitung des Kindergeldes an das volljährige Kind zu sehen, da der Vater es unterlassen habe, den Auszahlungsweg wiederum zu ändern.
Selbst bei der Annahme einer fiktiven Einkommensberücksichtigung hält die Kammer das grundgesetzlich in Art.1 Abs.1 GG i.V.m. Art. 20 GG garantierte Existenzminium für nicht tangiert, weil es dem Vater der Kläger zeitnah möglich gewesen wäre, den Zahlungsweg des Kindergeldes gegenüber der Familienkasse in sein eigenes Konto zu ändern und ihm dieses auch zumutbar gewesen wäre.
Sozialgericht Speyer, Urt. v. 21.11.2022 - 18 AS 917/20
Quelle: Sozialgericht Speyer, Pressemitteilung v. 15.12.2022