Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass bei der Beurteilung der Frage, in welcher Höhe Mietkosten von den Jobcentern zu übernehmen sind, ein Vergleich mit den Mieten für Sozialwohnungen zu erfolgen hat. Mietpreise, die für nach dem Recht des sozialen Wohnungsbaus geförderte Wohnungen gezahlt werden, können demnach nicht als unangemessen angesehen werden.
Darum geht es
Im Streitfall ging es ging um Zeiträume in den Jahren 2015/2016. Die allein lebende Frau verlangte die Übernahme der vollen Kosten für Miete und Heizung in Höhe von damals rund 640 € für ihre 90 qm große Dreizimmerwohnung.
Die Suche nach einer günstigeren Wohnung im angespannten Berliner Wohnungsmarkt sei aussichtslos gewesen. Das Jobcenter hatte insgesamt nur rund 480 € für angemessenen gehalten.
Dabei bezog es sich auf die Ausführungsvorschriften der zuständigen Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales, die die Grenze der Angemessenheit aus den durchschnittlichen Mietkosten ableitet, wie sie der Mietspiegel für Berlin für einfache Wohnlagen ausweist.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat der Klage einer Empfängerin von Grundsicherungsleistungen („Hartz IV“, jetzt Bürgergeld) gegen das Berliner Jobcenter stattgegeben.
Das Gericht hält dieses Vorgehen für unzulässig. Die so berücksichtigten Wohnungen erfassten nur den durchschnittlichen Fall der Angemessenheit, nicht aber deren „obere Grenze“.
Zwar könnten Empfänger von Leistungen der Jobcenter auf solche Wohnungen verwiesen werden, die lediglich einfache Bedürfnisse für eine sichere Unterkunft befriedigen.
Wohnungen zum noch als angemessen angesehenen Mietpreis müssten jedoch auch tatsächlich für Leistungsberechtigte zur Verfügung stehen. Dies sei nicht der Fall und ergebe sich auch aus einer statistischen Auswertung des Wohnraumbedarfsberichts der Senatsverwaltung aus dem Jahr 2019.
Demnach habe es in Berlin 76.000 Haushalte (darunter 33.000 Einpersonenhaushalte) gegeben, die Leistungen der Grundsicherung bezogen hätten, deren Mietkosten jedoch über den von den Jobcentern herangezogenen Grenzwerten gelegen hätten.
Zugleich weise der genannte Bericht eine massive Angebotslücke von 345.000 Wohnungen allein im Bereich der Wohnungen für Einpersonenhaushalte aus. In einer solchen Situation könne das Gericht keinen Grenzwert bestimmen.
Im vorliegenden Fall lasse sich bei einem Vergleich mit den Mieten für Sozialwohnungen, die gerade für Grundsicherungsempfänger als angemessener Wohnraum bereitgestellt werden sollen, feststellen, dass die Wohnung der Frau noch angemessen gewesen sei.
Die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urt. v. 30.01.2019 - B 14 AS 24/18 R) ggf. als Höchstgrenze heranzuziehenden Werte (110 % der Tabelle nach § 12 Wohngeldgesetz) seien für Berliner Verhältnisse ungeeignet, weil danach selbst viele Sozialwohnungen als unangemessen teuer angesehen werden müssten.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Das Landessozialgericht hat die Revision zum Bundessozialgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 30.03.2023 - L 32 AS 1888/17
Quelle: LSG Berlin-Brandenburg, Pressemitteilung v. 04.04.2023