Vor dem Sozialgericht Karlsruhe hat ein Arbeitsuchender in einem Eilverfahren erfolgreich einen unabweisbaren Hygienebedarf in der Corona-Pandemie geltend gemacht. Das Jobcenter muss demnach im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zusätzlich zum Regelsatz entweder als Sachleistung wöchentlich 20 FFP2-Masken verschicken oder als Geldleistung monatlich weitere 129 € zahlen.
Darum geht es
Der Antragsteller in Bezieher von Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der Eilantrag des Arbeitssuchenden richtet sich auf Gewährung eines im Epidemie-bedingten Einzelfall unabweisbaren Hygienebedarfs an FFP2-Masken bis zum Sommeranfang am 21.06.2021.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat dem Eilantrag stattgegeben.
Die Kammer meint, ein besonderer Mehrbedarf an wöchentlich 20 FFP2-Masken sei glaubhaft gemacht. Ohne Mund-Nasen-Bedeckungen dieses Standards seien Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherungsleistungen in ihrem Grundrecht auf soziale Teilhabe in unverhältnismäßiger Weise beschränkt.
Nach drei Monaten Lockdown müssten Arbeitsuchende wieder am Gemeinschaftsleben in einer dem sozialen Existenzminimum entsprechenden Art und Weise teilnehmen können.
Auf Alltagsmasken oder OP-Masken müssten sie sich nicht verweisen lassen. Diese seien für den Infektionsschutz vor SARS-Cov-2-haltigen Aerosolen in der Straßenbahn, im Supermarkt, im Treppenhaus, im Wartezimmer, in der Leichenhalle, etc. – auch angesichts der Virusvarianten – nicht gut genug geeignet.
Wer bei der Verrichtung alltäglicher Erledigungen trotzdem lediglich eine OP-Maske gebrauche und einen Mitmenschen mit dem lebensgefährlichen Virus anstecke, schädige eine andere Person an der Gesundheit und verstoße gegen das gesetzliche Verbot gefährlicher Körperverletzungen.
Dieses verbotswidrige Verhalten sei auch nicht allein deswegen außerhalb von Krankenhäusern oder Pflegeheimen erlaubt, weil die CoronaVO FFP2-Masken lediglich dort vorschreibe und andernorts OP-Masken genügen lasse.
Die Anerkennung individueller Mehrbedarfe an FFP2-Masken diene nicht nur der Befriedigung privater Bedürfnisse. Sie bezwecke den Infektionsschutz der Allgemeinheit vor einer weiteren Verbreitung des Virus.
Zur effektiven Abwehr dieser gesteigerten Ansteckungsgefahr müsse die Mehrbedarfsgewährung wöchentlich 20 FFP2-Masken umfassen. Dem Infektionsschutz werde ein Bärendienst erwiesen, falls nicht mindestens täglich eine neue Maske sowie durchschnittlich ca. zwei weitere neue Ersatz-FFP2-Masken bereitgestellt würden.
Es sei davon auszugehen, dass wenige Personen bereit und fähig seien, fortlaufend zuverlässig die sehr hohen Sorgfaltsanforderungen an die private Wiederverwendung von FFP2-Masken zu erfüllen. Diese seien zum Einmalgebrauch für geschultes Medizinpersonal konstruiert.
Ohne die Beachtung der zum Trocknen notwendigen Hygiene-Routinen würden ggfs. über mehrere Tage und Wochen hinweg für den Infektionsschutz ungeeignete oder sogar virushaltige Masken getragen.
Diese erweckten nur den falschen Anschein des Infektionsschutzes. Der massenhaft irreführende Anschein der Verwendung pandemie-adäquater FFP2-Masken wäre aber dem Infektionsschutz nicht zu-, sondern abträglich.
Der Kammerbeschluss ist rechtskräftig.
Sozialgericht Karlsruhe, Beschl. v. 11.02.2021 - S 12 AS 213/21 ER
Quelle: Sozialgericht Karlsruhe, Pressemitteilung v. 12.02.2021