Nach dem Bundesverwaltungsgericht muss eine Studentin, die keine Berufsausbildungsförderung oder andere Sozialleistungen erhält und kein verwertbares Vermögen hat, vom Rundfunkbeitrag wegen eines besonderen Härtefalls befreit werden, wenn ihr nach Abzug der Wohnkosten nur ein Einkommen zur Verfügung steht, das mit den Sozialleistungen nach dem SGB XII vergleichbar ist.
Darum geht es
Die Klägerin ist Inhaberin einer Wohnung und damit grundsätzlich zur Entrichtung des Rundfunkbeitrags verpflichtet. Sie absolvierte im Anschluss an ein abgeschlossenes Bachelor-Studium ein Zweitstudium, für das sie mangels Förderungsfähigkeit keine Leistungen nach dem Bundessausbildungsförderungsgesetz und deshalb auch keine Sozialleistungen erhielt. Sie lebte von Unterhaltsleistungen der Eltern und Wohngeld.
Nach Abzug der Mietkosten standen ihr 337 € für ihren Lebensunterhalt zur Verfügung. Sie beantragte daher eine Befreiung von der Entrichtung des Rundfunkbeitrags. Den Antrag lehnte der Beklagte ab und setzte mit gesondertem Bescheid rückständige Rundfunkbeiträge fest.
Die hiergegen gerichteten Widersprüche sowie die anschließend gegen die Beitragsfestsetzung und auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht gerichtete Klage blieben in den Vorinstanzen erfolglos.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Bundesverwaltungsgericht hat die vorinstanzlichen Urteile teilweise geändert und die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt zur Befreiung der Klägerin von der Rundfunkbeitragspflicht verpflichtet.
Die Festsetzung rückständiger Rundfunkbeiträge ist rechtmäßig, weil die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt als Beitragsschuldnerin noch nicht von der Entrichtung des Rundfunkbeitrags für den Zeitraum der Beitragsfestsetzung befreit gewesen ist.
Gleichzeitig hat ihre Klage auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht Erfolg. Die Klägerin erhält zwar keine Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz oder eine andere Sozialleistung, die nach den Katalogtatbeständen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags zu einer Befreiung führen.
Eine erweiternde Anwendung dieser Katalogtatbestände auf Empfänger von Wohngeldleistungen und Absolventen von nicht förderungsfähigen Zweitstudiengängen scheidet aus, weil die Landesgesetzgeber bewusst und insoweit abschließend die Befreiung an die bundesgesetzlichen Regelungen der im Katalog genannten Sozialleistungen zur Vereinfachung geknüpft haben.
Jedoch sieht der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag hierneben auch eine Befreiung in besonderen Härtefällen vor. Der Begriff des besonderen Härtefalls erfasst vor allem diejenigen Fälle, in denen der Beitragsschuldner eine mit den Empfängern von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII vergleichbare Bedürftigkeit nachweisen kann.
Hierzu zählen einkommensschwache Beitragsschuldner wie die Klägerin, die nach Abzug ihrer Wohnkosten weniger Einkommen zur Verfügung haben als ein Bezieher von derartigen Leistungen, und kein verwertbares Vermögen haben.
Gründe der Verwaltungsvereinfachung rechtfertigen es nicht, einkommensschwachen Personen, die mit ihrem Einkommen unter den sozialhilferechtlichen Regelsätzen liegen und dieses zur Deckung ihres Lebensbedarfs benötigen, eine Befreiung zu versagen, während die Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt nicht auf ihr Einkommen zur Entrichtung des Rundfunkbeitrags zurückgreifen müssen.
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten müssen in solchen Fällen anhand der vom Beitragspflichtigen vorzulegenden Nachweise das Vorliegen einer vergleichbaren Bedürftigkeit prüfen.
Erfasst die zu erteilende Befreiung rückwirkend einen Zeitraum, für den die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt bereits rückständige Rundfunkbeiträge festgesetzt hat, ist diese verpflichtet, den Festsetzungsbescheid insoweit aufzuheben.
BVerwG, Urt. v. 30.10.2019 - 6 C 10.18
Quelle: BVerwG, Pressemitteilung v. 01.11.2019