Das Bundesverwaltungsgericht hat zu Ansprüchen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) entschieden, dass Auszubildende nicht im Sinne des Gesetzes „bei den Eltern wohnen“, wenn sie einen Elternteil in ihre Wohnung aufnehmen und sich das als Unterstützung des Elternteils darstellt. Den Auszubildenden steht dann nach dem Gericht der höhere Unterkunftsbedarf zu.
Darum geht es
Die Klägerin, die als Studentin Ausbildungsförderung erhält, streitet mit dem beklagten Studierendenwerk darüber, ob ihr der höhere Unterkunftsbedarf zusteht, der daran geknüpft ist, dass der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt. Diese erhöhte Unterkunftspauschale betrug im streitigen Zeitraum 224 € monatlich (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG). Demgegenüber belief sich die monatliche Unterkunftspauschale für einen Auszubildenden, der „bei seinen Eltern wohnt“ im damaligen Zeitraum auf lediglich 49 € (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 BAföG).
Nachdem der Mutter der Klägerin die Wohnung gekündigt worden war, nahm die Klägerin sie in ihre Wohnung auf. Daraufhin kürzte der Beklagte die der Klägerin gewährte Ausbildungsförderung und billigte dieser ab dem Einzug der Mutter in die Wohnung lediglich den geringeren Unterhaltsbedarf für bei den Eltern wohnende Auszubildende zu. Auf die hiergegen nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht der Klägerin für den streitigen Zeitraum von 16 Monaten den höheren Unterkunftsbedarf zugesprochen. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin zum Bundesverwaltungsgericht hatte Erfolg und führte zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Zwar trifft die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts zu und entspricht der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass ein Wohnen „bei den Eltern“ im Sinne des Gesetzes grundsätzlich schon dann vorliegt, wenn Auszubildende in häuslicher Gemeinschaft mit ihren Eltern oder einem Elternteil leben und die von ihnen genutzten Wohn- und Gemeinschaftsräume als einer Wohnung zugehörend anzusehen sind, ohne dass es auf die näheren Umstände des Zusammenlebens ankommt.
Die damit verbundene gesetzliche Typisierung dient dem Bestreben des Gesetzgebers, die Ausbildungsförderung als Form der Massenverwaltung auch im Hinblick auf die Zuordnung der Unterkunftspauschalen verwaltungspraktikabel auszugestalten. Sie beruht auf der Annahme, dass das Zusammenwohnen mit den Eltern oder einem Elternteil regelmäßig mit einer Kostenersparnis für den Auszubildenden verbunden ist und er darüber hinaus durch das gemeinsame Wohnen typischerweise noch Rückhalt und Unterstützung durch die Eltern oder den Elternteil erlangt.
Es ist jedoch geboten, eine Ausnahme von dieser Typisierung zu machen, wenn Auszubildende einen Elternteil in ihre Wohnung aufnehmen und sich diese Aufnahme als Unterstützung des Elternteils darstellt.
Dies ist jedenfalls anzunehmen, wenn - wie hier - der Elternteil von grundsätzlich nur das Existenzminimum abdeckenden Sozialleistungen (wie Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch) abhängig ist und vom Auszubildenden in dessen Wohnung aufgenommen wird, weil er anderweitig nicht mehr über eigenen Wohnraum verfügt.
In einer solchen Konstellation spricht schon das Wortlautverständnis in gewichtiger Weise dafür, dass nicht der Auszubildende „bei dem Elternteil“ wohnt, sondern der Elternteil „bei dem Auszubildenden“. Auch die Zwecke der Kostenersparnis und Unterstützung durch den Elternteil, welche die Zubilligung der geringeren Unterkunftspauschale typisierend rechtfertigen, kommen in dieser Fallgestaltung nicht zum Tragen.
BVerwG, Urt. v. 08.11.2017 - 5 C 11.16
Quelle: BVerwG, Pressemitteilung v. 08.11.2017