Was gilt, wenn Online-Händler Ware irrtümlich mit falschem Preis auszeichnen? Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass in der Versendung einer Gratisbeigabe der Abschluss eines Kaufvertrags über das Hauptprodukt liegt. Im Streitfall wurden Gratis-Kopfhörer als Zugabe für Smartphones angeboten, für die als Stückpreis allerdings nur 92 € statt der regulären rund 1.000 € angegeben waren.
Darum geht es
Der Kläger nimmt die Beklagte auf die Lieferung und Übereignung von neun Smartphones in Anspruch.
Die Beklagte betreibt den deutschen Onlineshop eines weltweit tätigen Elektronikkonzerns. Laut ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen liegt in einer Kundenbestellung über den Button „jetzt kaufen“ ein bindendes Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages.
Die Auftragsbestätigung der Beklagten ist demnach noch keine Annahme dieses Angebots. Ein Kaufvertrag kommt laut AGB zustande, wenn die Beklagte das bestellte Produkt an den Käufer versendet und dies mit einer Versandbestätigung bestätigt. Dabei bezieht sich der Vertrag nur auf die in der Versandbestätigung bestätigten oder gelieferten Produkte.
Durch einen sog. Preisfehler bot die Beklagte online Smartphones für 92 € an. Der unverbindliche Verkaufspreis (UVP) für diese Produkte betrug 1.099 €. Zeitgleich bot die Beklagte bei Bestellungen bestimmte Kopfhörer als Gratisbeigabe an.
Der Kläger bestellte im Rahmen von drei Bestellungen neun Smartphones sowie vier Gratis-Kopfhörer. Die Kaufpreise zahlte er umgehend. Noch im Laufe des Bestelltages änderte die Beklagte den Angebotspreis auf 928 €.
Zwei Tage nach den Bestellungen versandte sie die vier Paar Kopfhörer an den Kläger und teilte dies jeweils per Mail mit. Knapp zwei Wochen später stornierte sie die Bestellung unter Verweis auf einen gravierenden Preisfehler. Der Kläger begehrt nunmehr die Lieferung und Übereignung der Smartphones.
Das Landgericht Frankfurt am Main hat der Klage stattgegeben (Urt. v. 09.02.2023 - 2-20 O 126/22). Der Anspruch des Klägers auf Vertragserfüllung sei nicht nach § 142 Abs. 1 BGB erloschen. Die Anfechtungserklärung am 22.03.2022 war demnach gemäß § 121 BGB verfristet.
Bereits am 07.03.2022 habe die Beklagte den Angebotspreis für das betreffende Modell auf 928 € angehoben, so dass sie bzw. ihre Vertreter ab diesem Zeitpunkt Kenntnis von dem Preisfehler gehabt hätten. Die Anfechtungserklärung am 22.03.2022 war demnach nicht mehr unverzüglich.
Der Kaufvertrag sei auch nicht nach § 242 BGB wegen Rechtsmissbrauchs des Klägers nichtig. Das bloße Erkennen und Ausnutzen eines Preisfehlers genüge hierfür nicht, vielmehr müsse die Vertragserfüllung für den anderen Teil und für den Käufer erkennbar schlechthin unzumutbar sein.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das OLG Frankfurt am Main hat die Auffassung der Vorinstanz bestätigt. Nach einem Hinweisbeschluss wurde die Berufung zurückgenommen.
Zwischen den Parteien seien Kaufverträge über insgesamt neun Smartphones zustande gekommen. In den automatisiert erstellten Bestellbestätigungen liege zwar noch keine Annahmeerklärung, sondern allein die Bestätigung des Eingangs einer Bestellung.
Mit der Übersendung der Gratis-Kopfhörer habe die Beklagte jedoch den Antrag auf Abschluss eines Kaufvertrags auch in Bezug auf die in der jeweiligen Bestellung enthaltenen Smartphones angenommen.
Denn anders, als wenn in einer Bestellung mehrere kostenpflichtige Artikel zusammengefasst werden, war unbedingte Voraussetzung der kostenlosen Übersendung der Kopfhörer der Erwerb eines Smartphones.
Zwischen dem Erwerb des Smartphones und der Übersendung der Kopfhörer bestand ein untrennbarer Zusammenhang dergestalt, dass die kostenlose Übersendung der Kopfhörer das wirksame Zustandekommen eines Kaufvertrags über das Hauptprodukt - das Smartphone - voraussetzt.
Der Kläger habe die Mitteilung, dass sämtliche versprochenen Gratisbeigaben nunmehr verschickt seien, nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte so verstehen dürfen, dass damit auch die Kaufverträge über die Smartphones bestätigt würden.
Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass unstreitig der Preis für die Smartphones bereits am Bestelltag selbst auf 928 € korrigiert worden sei. Ab diesem Zeitpunkt sei daher von der Kenntnis von dem Preisfehler im Haus der Beklagten auszugehen. Dies sei ihr insgesamt zuzurechnen.
Das OLG Frankfurt hat auch die Ausführungen des Landgerichts zur Anfechtung und zum Rechtsmissbrauch in der Sache nicht beanstandet.
OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 18.04.2024 - 9 U 11/23
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Pressemitteilung v. 04.07.2024