Eine Bank, die gegen ihre Informationspflicht bei Verbraucherkreditverträgen verstößt, kann ihren Anspruch auf die Zinsen verlieren. Dies gilt auch dann, wenn die konkrete Schwere des Verstoßes und die Folgen für den Verbraucher unterschiedlich ausfallen können. Das hat der EuGH entschieden. Im Streitfall ging es um Angaben zum effektiven Jahreszins und zur Änderung von Entgelten.
Darum geht es
Lexitor ist ein polnisches Inkassounternehmen, an das ein Verbraucher seine Rechte aus einem mit einer Bank geschlossenen Kreditvertrag abgetreten hat.
Lexitor meint, dass die Bank gegen ihre Verpflichtung verstoßen habe, dem Verbraucher beim Abschluss des Vertrags bestimmte Informationen zu erteilen, und hat sie deshalb bei einem polnischen Gericht auf Erstattung der vom Verbraucher gezahlten Zinsen und Kosten verklagt.
Nach dem Vertrag erhält die Bank nicht nur auf den Geldbetrag, der dem Verbraucher tatsächlich zur Verfügung gestellt wird, sondern auch auf die Kosten des Kredits Zinsen.
Wäre die entsprechende Bestimmung, weil sie missbräuchlich ist, nicht angewandt worden, wären Zinsen allein auf den als Darlehen zur Verfügung gestellten Geldbetrag angefallen, so dass der effektive Jahreszins niedriger gewesen wäre als der, der ursprünglich im Vertrag angegeben war.
Entgelte und Provisionen konnten bei Eintritt mindestens einer der im Vertrag genannten Bedingungen (z.B. Änderung des Mindestlohns oder der vom polnischen Statistischen Hauptamt veröffentlichten Indikatoren oder Änderungen der Steuervorschriften und/oder der von der Bank angewandten Rechnungslegungsgrundsätze, soweit sie sich auf die der Bank im Zusammenhang mit der Vertragserfüllung entstehenden Kosten auswirken würden) erhöht werden.
Lexitor macht geltend, dass die Bank einen zu hohen effektiven Jahreszins angegeben habe. Eine der Vertragsklauseln, die bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses berücksichtigt worden sei, sei nämlich missbräuchlich und mithin für den Verbraucher unverbindlich.
Außerdem sei in dem Vertrag nicht klar angegeben, aus welchen Gründen und auf welche Art und Weise die im Zusammenhang mit der Durchführung des Vertrags anfallenden Entgelte erhöht werden könnten.
Wegen dieser Verstöße greife die im polnischen Recht vorgesehene Sanktion des Verlusts des Anspruchs auf die im Vertrag vereinbarten Zinsen und Kosten.
Das polnische Gericht hat sich an den EuGH gewandt. Es möchte wissen, ob die Bank gegen die im Unionsrecht vorgesehene Informationspflicht bei Verbraucherkreditverträgen (Richtlinie 2008/48/EG v. 23.04.2008) verstoßen hat und ob der Verlust des Anspruchs auf die Zinsen und Kosten mit dem Unionsrecht vereinbar ist.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Der EuGH hat erstens festgestellt, dass in Kreditverträgen der effektive Jahreszins, berechnet zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kreditvertrages, in klarer, prägnanter Form anzugeben ist. Bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses wird jedoch von der Annahme ausgegangen, dass der betreffende Kreditvertrag für den vereinbarten Zeitraum gültig bleibt.
Deshalb wird nicht bereits dadurch gegen die Informationspflicht verstoßen, dass in einem Kreditvertrag ein effektiver Jahreszins angegeben ist, der sich als zu hoch erweist, weil in der Folge festgestellt wird, dass bestimmte Klauseln des Vertrags missbräuchlich sind.
Zweitens müssen in Kreditverträgen die Bedingungen einer Änderung der im Zusammenhang mit der Durchführung des Vertrags anfallenden Entgelte klar und verständlich beschrieben werden.
Wird in dem Vertrag insoweit auf Indikatoren abgestellt, die der Verbraucher nur schwerlich überprüfen kann, kann dies gegen die Informationspflicht verstoßen, wenn ein Durchschnittsverbraucher nicht überprüfen kann, ob die Bedingungen einer solchen Änderung eintreten und wie sie sich auf die Entgelte auswirken, und somit nicht in der Lage ist, den Umfang seiner Verpflichtungen zu bestimmen.
Das nationale Gericht wird zu prüfen haben, ob dies in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit der Fall ist.
Drittens kann die Bank bei einem Verstoß gegen die Informationspflicht, der die Möglichkeit des
Verbrauchers beeinträchtigt, den Umfang seiner Verpflichtung einzuschätzen, ihren Anspruch auf die Zinsen und Kosten verlieren.
Vorbehaltlich der Überprüfungen, die das nationale Gericht vorzunehmen haben wird, hält der Gerichtshof eine solche Sanktion - auch wenn die Schwere des Verstoßes und die Folgen, die sich daraus für den Verbraucher ergeben, im Einzelfall unterschiedlich ausfallen können - für verhältnismäßig.
EuGH, Urt. v. 13.02.2025 - C-472/23
Quelle: EuGH, Pressemitteilung v. 13.02.2025