Das Amtsgericht München hat eine Klage auf Rückerstattung von Stornogebühren abgewiesen. Ein Kunde hatte die versehentliche Online-Stornierung seiner Reisebuchung geltend gemacht. Das Gericht lehnte aber eine wirksame Anfechtung wegen eines Erklärungssirrtums nach § 119 BGB ab. Ein vier- bzw. fünffaches „Verklicken“ sei bei einem mehrstufigen Stornierungsprozess lebensfremd.
Darum geht es
Der Kläger hatte bei der Beklagten zum Preis von 4.548,26 € eine neuntägige Reise für sich und seine Ehefrau im Juni 2023 nach Faro (Portugal) gebucht.
Im Anschluss stornierte der Kläger im Internet auf der Homepage der Beklagten die Reise. Die Beklagte buchte sodann vom Konto des Klägers Stornierungsgebühren in Höhe von 3.859,21 € ab.
Der Kläger leitete daraufhin am selben Tag eine E-Mail an die Beklagte weiter, um die Stornierung rückgängig zu machen. Der Kläger behauptete, er habe erst nach Buchung der Reise erfahren, dass neben dem Hotel eine Baustelle liege.
Er habe sich zudem im Internet lediglich über eine Umbuchung informieren wollen und habe unbeabsichtigt wegen der Unübersichtlichkeit der Homepage die Reise storniert. Er habe deswegen die abgegebene Willenserklärung zur Stornierung angefochten.
Die Beklagte trug vor, der Kläger habe keine genauen Angaben über die besagte Baustelle getroffen.
Im Übrigen sei die Buchung wirksam storniert worden. Für die endgültige Stornierung seien mehrere einzelne Schritte erforderlich gewesen.
Eine unbeabsichtigte Kündigung sei im System unmöglich. Dem Reiseveranstalter sei durch den Rücktritt des Kunden hingegen ein Schaden entstanden.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Amtsgericht München hat die Klage abgewiesen. Die Klage auf Rückerstattungsansprüche aus dem Reisevertrag in Höhe von 3.948,91 € hatte keinen Erfolg.
Der unstreitig zwischen den Parteien geschlossene Reisevertrag wurde vom Kläger demnach wirksam storniert. Eine wirksame Anfechtung der Stornierung aufgrund eines Irrtums in der Erklärungshandlung nach § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB ist nicht gegeben. Ein Irrtum im Sinne von § 119 BGB ist das unbewusste Auseinanderfallen von Willen und Erklärung.
Nach § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB liegt zudem ein Irrtum in der Erklärungshandlung vor, wenn schon der äußere Erklärungstatbestand nicht dem Willen des Erklärenden entspricht. Dies ist beispielsweise beim Versprechen, Verschreiben oder Vergreifen der Fall.
Zwar gab der Kläger an, die Homepage der Beklagten sei für ihn unübersichtlich gewesen, da diverse Klicks erforderlich gewesen seien. Es kann grundsätzlich nach der allgemeinen Lebenserfahrung sein, dass man versehentlich einmalig etwas anklickt, was dem eigentlichen Willen nicht entspricht.
Es erscheint jedoch lebensfremd, dass bei der Durchführung eines Vorgangs wie hier der Buchungsstornierung mit insgesamt fünf verschiedenen Schritten jedes Mal ein „Verklicken“, und damit ein Irrtum in der Erklärungshandlung vorgelegen haben soll.
Aus den von der Beklagtenpartei vorgelegten Anlage ergibt sich insoweit, dass der Kläger für eine endgültige Stornierung der Reise erst mehrere einzelne Schritte durchführen musste: Zur Auslösung des endgültigen Stornierungsvorgangs musste der Kläger insgesamt viermal aktiv per Mausklick bestätigen, dass er eine Stornierung wünsche.
Dabei musste er im ersten Schritt zunächst angeben, aus welchem Grund er seine Reise stornieren wollte. Im Anschluss im zweiten Schritt musste der Kläger angeben, was genau er stornieren wollte.
Bei dem darauffolgenden dritten Schritt wurde der Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen, dass beim Auswählen „Buchung stornieren“, die Stornierung durchgeführt, und im Namen des Reisenden eine Rückerstattung beantragt werde. Erst durch Anklicken dieses Feldes gelangte der Kläger zum letzten und vierten Schritt, wo nochmals um Bestätigung gebeten wurde, dass tatsächlich mit der Stornierung fortzufahren sei.
Dass das Anklicken versehentlich geschah, und nicht dem Willen des Klägers entsprach, ist aufgrund des dargelegten Vorgangs für das Gericht nicht nachvollziehbar. Ein Irrtum in der Erklärungshandlung durch Vertippen sieht das Gericht hier dementsprechend nicht gegeben.
Es ist vielmehr davon nach Auffassung des Gerichts davon auszugehen, dass dem Kläger bewusst gewesen sein muss, dass er bei Durchführung des gesamten Buchungsvorgangs eine endgültige Stornierung vornahm - und nicht bloß wie von ihm vorgegeben - eine Umbuchung. Der unstreitig zwischen den Parteien geschlossene Reisevertrag wurde somit wirksam storniert.
Die Beklagte war zudem berechtigt, aufgrund des Rücktritts vom Vertrag durch den Kläger vor Reisebeginn einen Betrag in Höhe von 3.859,21 € als angemessene Entschädigung im Sinne von § 651 h Abs. 1 Satz 3 BGB zu verlangen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte schlüssig dargetan hat, dass sie bei der Buchung der einzelnen Leistungen, nämlich der Flüge und des Hotels, jeweils in Vorleistung gehen musste. Die Gesamtaufwendungen der Reiseleistungen beliefen sich hierbei auf 4.036,29 €.
Die Klagepartei kann sich hingegen nicht darauf berufen, sie habe ein Anspruch auf Rückerstattung aufgrund Ziffer 9 der AGB der Beklagten. Die pauschale Behauptung des Klägers, es habe neben dem Hotel eine Baustelle gegeben, führt nicht zu einer vertraglichen Pflicht der Beklagten, alternative Lösungen anbieten zu müssen.
Insoweit fehlt es bereits - so wie von der Beklagten zutreffend angegeben - an einem schlüssigen und konkreten Vortrag dahingehend, dass von der behaupteten Baustelle ausreichender Baulärm ausging, der zu einem nicht unwesentlichen Reisemangel geführt habe. Auch eine entsprechende Mängelanzeige, so wie vom Gesetz gefordert, erfolgte nicht.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Amtsgericht München, Urt. v. 18.04.2024 - 275 C 20050/23
Quelle: Amtsgericht München, Pressemitteilung v. 29.04.2024