Das Amtsgericht Frankfurt hat entschieden, dass ein Reiseveranstalter zur Rückzahlung des kompletten Reisepreises verpflichtet ist, wenn ein Kunde die gebuchte Reise vor Reiseantritt storniert und zu diesem Zeitpunkt bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine gesundheitsgefährdende Ausbreitung des Corona-Virus im Reisegebiet bestand. Stornierungskosten dürfen dann nicht erhoben werden.
Darum geht es
Im zugrundeliegenden Verfahren stornierte der Kläger am 07.03.2020 wegen der sich weltweit ausbreitenden Covid-19-Pandemie seine ab dem 14.04.2020 geplante Reise nach Ischia (Italien), die unter anderem einen Flug von Hamburg nach Neapel und zurück beinhalten sollte.
Die beklagte Reiseveranstalterin akzeptierte die Stornierung, erhob hierfür jedoch anteilige, in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehene Kosten.
Als die Beklagte auch nach Fristsetzung durch den Kläger nicht den kompletten Reisepreis zurückerstatten wollte, erhob er Klage mit der Begründung, der Rücktritt vom Reisevertrag beruhe auf einem unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstand, sodass die Reiseveranstalterin die kompletten Reisekosten ohne Abzug zurückzuzahlen hätte.
Hierfür komme es lediglich darauf an, welche Umstände zum Zeitpunkt der Reise tatsächlich vorlagen, unabhängig davon, wann der Rücktritt erklärt worden sei. Die Beklagte wandte ein, dass zum Zeitpunkt der Stornierung Anfang März für das Reisegebiet (Golf von Neapel) noch keine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes vorgelegen habe.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Amtsgericht Frankfurt hat der Klage insoweit stattgegeben, als der Reisepreis anteilig bereits an die Beklagte geleistet worden war.
Zur Begründung führte es aus, dass es in Bezug auf die Corona-Krise darauf ankomme, wann der Reisende zurückgetreten ist und ob die Gegebenheiten am Urlaubsort zu dieser Zeit bereits als außergewöhnliche Umstände zu qualifizieren waren.
Das Gericht stellte klar, dass sich dabei eine schematische Betrachtung verbietet und die Umstände des konkreten Einzelfalls maßgeblich sind. Entscheidend sei insoweit der Zeitpunkt der Ausübung des Gestaltungsrechts. Es handele sich um eine Prognoseentscheidung, für die es auf eine ex-ante-Betrachtung ankomme.
Im vorliegenden Fall durfte der Kläger demnach zu Recht zu der Einschätzung gelangen, dass in im Reisegebiet Italien außergewöhnliche Umstände vorliegen, die die Durchführung der Pauschalreise erheblich beeinträchtigen. Dies gilt nach dem Gericht insbesondere, weil im März die Pandemie erst begann und mit einer Verschlechterung der Lage zu rechnen war.
Grundsätzlich seien an die Darlegung des Reisenden hierzu keine allzu strengen Anforderungen zu stellen. Reisewarnungen für das Reisegebiet seien nicht zwingend erforderlich.
Es genüge bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine gesundheitsgefährdende Ausbreitung des Virus. Dies sei zum Zeitpunkt der Reisestornierung Anfang März für ganz Italien der Fall gewesen, sodass die Beklagte gemäß § 651h Abs. 3 BGB nicht befugt gewesen sei, Stornierungskosten zu erheben.
Amtsgericht Frankfurt am Main, Urt. v. 11.08.2020 - 32 C 2136/20 (18)
Quelle: Amtsgericht Frankfurt am Main, Pressemitteilung v. 17.08.2020