Das Amtsgericht München hat einer Kreuzfahrtveranstalterin eine vereinbarte Stornogebühr zuerkannt und die Klage auf Rückerstattung der Anzahlung überwiegend abgewiesen. Demnach war im Streitfall zum Zeitpunkt der Stornierung noch nicht absehbar, ob die Kreuzfahrt tatsächlich wegen der Corona-Pandemie ausfällt. Das Gericht stellte insoweit auf eine „ex-ante“-Betrachtung ab.
Darum geht es
Die Klägerin aus dem Sauerland buchte am 24.01.2020 für sich, ihren Ehemann und ihre zwei Kinder bei der Beklagten eine Kreuzfahrt zu einem Gesamtpreis von 1.996 € und schloss eine Reiserücktrittsversicherung für 168 € ab.
Die Kreuzfahrt sollte vom 28.06. bis 05.07.2020 von Warnemünde mit Stopps in Stockholm, Tallinn, St. Petersburg und Kopenhagen stattfinden.
Die Klägerin zahlte 568 € an: 400 € auf den Reisepreis und 168 € für die Versicherung. Sie trat am 01.04.2020 von dem Pauschalreisevertrag zurück und klagt nun auf Rückerstattung ihrer Anzahlung.
Die Klägerin meint, dass bei ihrem Rücktritt bereits absehbar gewesen sei, dass die Kreuzfahrt auf Grund der Corona-Pandemie nicht stattfinden werde. Dies auch, weil die Beklagte nachfolgend am 29.04.2020 ihren Flottenbetrieb bis zum 10.07.2020 eingestellt und die Kreuzfahrt letztendlich nicht stattgefunden habe.
Mit Stand 28.03.2020 sei die Einreise nach Russland und Dänemark nicht möglich gewesen. Es habe zudem eine weltweite Reisewarnung des Auswärtigen Amtes bestanden.
Die Beklagte erhebt Anspruch auf die vereinbarten Stornogebühren in Höhe von 20 % des Reisepreises. Zum Zeitpunkt des Rücktritts sei eben nicht absehbar gewesen, dass die Reise nicht stattfinden könne. Die Reisewarnung habe vorerst nur bis Mitte Juni gegolten.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Die zuständige Richterin am Amtsgericht München gab der Beklagten Recht und wies die Klage gegen die Kreuzfahrtveranstalterin auf Rückerstattung der Reiseanzahlung von 568 € bis auf einen Kleinbetrag von 0,80 € ab.
Folge des Rücktritts des Reisenden vor Reisebeginn ist, dass der Reiseveranstalter seinen Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis verliert. Gemäß § 651 h Abs. 1 Satz 3 BGB kann der Reiseveranstalter dann jedoch eine angemessene Entschädigung verlangen.
Dies gilt nach § 651 h Abs. 3 BGB aber nicht, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen.
Die Covid-19-Pandemie kann grundsätzlich als solch ein Umstand zu bewerten sein. Allein die Tatsache der Pandemie reicht nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht aus, um jeglichen Rücktritt von allen Pauschalreisen zu jedem Zeitpunkt ohne Anfall von Entschädigungszahlungen zuzulassen.
Es ist zu prüfen, inwieweit die konkrete Reise aus einer ex-ante Betrachtung heraus erheblich beeinträchtigt sein wird. Spätere Ereignisse können die ex-ante Beurteilung nicht nachträglich ändern. Die Höhe des Anspruchs muss im Zeitpunkt des Rücktritts feststehen.
Nach § 651 h Abs. 5 BGB ist der Reiseveranstalter verpflichtet innerhalb von 14 Tagen den Reisepreis zurückzuerstatten. Käme es auf die zukünftige Entwicklung an, könnte ein zunächst nicht begründeter Anspruch im Laufe der Zeit begründet werden. Das kann nicht richtig sein.
Es komme angesichts der Dynamik der Pandemie auf die Umstände des Einzelfalls an. Sowohl die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes wie die Einreiseverbote nach Dänemark und Russland seien zunächst befristet gewesen.
Damit lag im Zeitpunkt des Rücktritts für den Reisezeitraum vom 28.06.2020 bis 05.07.2020 noch keine Reisewarnung vor. Zwar lagen zu dieser Zeit bereits erste Erfahrungen mit Corona-Ausbrüchen auf Kreuzfahrtschiffen vor.
Dennoch war Anfang April 2020 nach Auffassung des Gerichts nicht ausgeschlossen, dass drei Monate später mit einem Hygienekonzept und Testungen der Passagiere die Durchführung der Kreuzfahrt möglich gewesen wäre.
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte geht das Gericht davon aus, das bei der ex ante Betrachtung am 01.04.2020 nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden konnte, dass im Reisezeitraum Umstände vorliegen werden, die die Reise erheblich beeinträchtigen.
Der frühzeitige Rücktritt der Klägerin spricht vielmehr dafür, dass ihr bereits zu diesem Zeitpunkt klar war, dass sie die Kreuzfahrt unter keinen Umständen wahrnehmen möchte. Dies sind aber primär bloße Unwohl- und Angstgefühle, die für eine kostenlose Stornierung gerade nicht ausreichen.
Somit war die Klage nur in Höhe der die Stornogebühr übersteigenden 80 Cent begründet.
Das Urteil ist aufgrund zugelassener Berufung noch nicht rechtskräftig.
Amtsgericht München, Urt. v. 27.10.2020 - 159 C 13380/20
Quelle: Amtsgericht München, Pressemitteilung v. 13.11.2020