Eine Flugreise ins Ausland muss in Zeiten der Corona-Pandemie durch beide sorgeberechtigten Elternteile gemeinsam entschieden werden, weil keine Angelegenheit des täglichen Lebens mehr vorliegt. Dies gilt auch, wenn keine Reisewarnung besteht. Das hat das OLG Braunschweig entschieden. Ist keine Einigung möglich, kann ggf. einem Elternteil die Entscheidungsbefugnis übertragen werden.
Darum geht es
Die Mutter hatte in den Sommerferien eine Flugreise nach Mallorca mit den beiden gemeinsamen Kindern gebucht. Der Vater war damit nicht einverstanden.
Über Auslandsreisen, auch mit dem Flugzeug, kann grundsätzlich der jeweils betreuende Elternteil allein entscheiden, wenn die Reise nicht mit Nachteilen bzw. Gefahren für das Kind verbunden ist. Daher boten bislang Flugreisen in das europäische Ausland wenig Anlass für Streitigkeiten.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das OLG Braunschweig hat entschieden, dass die Flugreise des getrenntlebenden Elternteils mit den gemeinsamen Kindern in der Zeit der Corona-Pandemie keine Angelegenheit des täglichen Lebens mehr ist und daher der Zustimmung des anderen mitsorgeberechtigten Elternteils bedarf.
Auch wenn keine Reisewarnung für das Urlaubsziel bestehe, führe die Ausbreitung von COVID-19 weiterhin zu Einschränkungen im internationalen Luft- und Reiseverkehr und Beeinträchtigungen des öffentlichen Lebens.
Hinzu komme, dass nach wie vor die Lockerungen der Beschränkungen nur auf Probe erfolgt seien und keine Planungsverlässlichkeit bezüglich eines gebuchten Rückfluges gewährleistet sei.
Wenn es erneut zu staatlich notwendigen Reaktionen auf Ausbrüche des Virus komme, bestehe die Gefahr längerer Quarantänen oder eines Festsitzens im Ausland. Das könne zu einer erheblichen Belastung für das seelische Wohlbefinden eines Kindes führen.
Überdies gebe es weiterhin Unsicherheiten über die Infektionswege des Coronavirus, weshalb auch nicht geklärt sei, welche konkrete, gegebenenfalls erhöhte Ansteckungsgefahr im Zusammenhang mit Flugreisen beständen.
Eine Flugreise ins Ausland müsse daher durch beide sorgeberechtigten Elternteile gemeinsam entschieden werden.
Können sich die Eltern nicht einigen, kann das Familiengericht auf Antrag einem Elternteil die Entscheidungsbefugnis darüber übertragen. Dabei muss sich das Familiengericht an dem Kindeswohl im konkreten Einzelfall orientieren und die Entscheidungsbefugnis auf den Elternteil übertragen, dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird.
Da in dem vom Familiensenat entschiedenen Fall der Reise bereits andere Gründe entgegenstanden, hat der Senat keine Aussage dazu getroffen, ob die Entscheidungsbefugnis über die geplante Reise im Hinblick auf die Corona-Pandemie dem reisewilligen oder -unwilligen Elternteil zu übertragen war.
OLG Braunschweig, Beschl. v. 30.07.2020 - 2 UF 88/20
Quelle: OLG Braunschweig, Pressemitteilung v. 03.08.2020