Das Landgericht Berlin hat mit zwei Urteilen entschieden, ob Mieter ihre Zustimmung zu einer Mieterhöhung im Rahmen eines bestehenden Mietvertrags nach Verbraucherschutzregeln widerrufen können. Die unterschiedlichen Kammern des Gerichts kamen dabei zu unterschiedlichen Ergebnissen. Fraglich war auch, welche rechtlichen Folgen der jeweilige Schriftverkehr zur Mieterhöhung hatte.
Verfahren 63 S 248/16
Die Zivilkammer 63 des Landgerichts Berlin hat im Urteil vom 10.03.2017 die Meinung vertreten, dass die Verbraucherschutzvorschriften über einen Widerruf auch bei bestehenden Mietverträgen anwendbar seien. Jedoch habe der Mieter in dem zu entscheidenden Fall seine bereits erklärte Zustimmung zu einer Mieterhöhung deshalb nicht wirksam widerrufen können, weil die Vermieterin über kein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem verfügt habe.
Darum geht es
Der klagende Mieter dieses Rechtsstreits war bereits seit 1975 Mieter einer in Berlin-Pankow gelegenen Wohnung mit einer Größe von gut 150 m². Die Beklagte hatte das Eigentum an der Immobilie später erworben und war damit in den Mietvertrag als Vermieterin eingetreten. Mit Schreiben vom 17.07.2015 übersandte die Beklagte dem Kläger einen Brief, in dem sie bat, der Erhöhung der Miete von bisher 807,87 € um 121,18 € netto kalt (entsprechend einer Erhöhung auf 6,04 €/m²) monatlich zuzustimmen.
Der Kläger stimmte der Erhöhung zunächst zu, widerrief jedoch kurz darauf schriftlich seine Erklärung unter Berufung auf die Verbraucherschutzvorschriften. Die sich aus der Erhöhung ergebende Differenz zahlte er rückwirkend für die Zeit von Oktober 2015 bis Februar 2016 und ab März 2016 nur noch unter Vorbehalt.
Mit der Klage verlangte der Kläger die Rückzahlung der Differenz von je 121,18 € für zehn Monate sowie die Feststellung, dass die seit dem 01.08.2016 geschuldete Nettokaltmiete unverändert 807,87 € monatlich betrage. Das Amtsgericht Pankow/Weißensee hat die Klage abgewiesen.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Auch in der Berufung hatte der Kläger keinen Erfolg. Die Zivilkammer 63 des Landgerichts Berlin ging zwar davon aus, dass die Verbraucherschutzvorschriften des BGB nach dem Wortlaut des Gesetzes im Wohnraummietrecht anwendbar seien, und zwar auch, soweit es um Erklärungen gehe, mittels derer ein bereits bestehender Mietvertrag geändert werden solle. Die Schutzvorschriften im Mietrecht seien nicht vorrangig und stünden nicht entgegen, den Mieter zusätzlich nach den allgemeinen Vorschriften zu schützen.
Es seien jedoch nicht alle Voraussetzungen für einen wirksamen Widerruf erfüllt: Der Kläger sei zwar unstreitig Verbraucher, während die Beklagte gewerblich Wohnungen vermiete und damit Unternehmerin sei. Auch sei zwischen den Parteien ein Vertrag geschlossen worden, der den ursprünglichen Mietvertrag abgeändert und wonach sich der Kläger zunächst verpflichtet habe, eine höhere Miete zu zahlen.
Da der Kläger nicht über sein Recht zum Widerruf informiert worden sei, habe die Widerrufsfrist für ihn ein Jahr und 14 Tage betragen. Die Widerrufsfrist sei damit gewahrt. Schließlich habe die Beklagte auch ein so genanntes Fernkommunikationsmittel verwendet, indem sie sich mit einem Brief an den Kläger gewandt habe.
Allerdings fehle es an dem erforderlichen Vertriebs- oder Dienstleistungssystem der Beklagten, das für den Fernabsatz geschaffen worden sei. Solches liege nur dann vor, wenn die Beklagte sich Techniken der Fernkommunikation systematisch zu Nutze gemacht hätte und es nach dem Gesamtbild für sie typisch gewesen wäre, Distanzgeschäfte zu schließen.
Das Erhöhungsverlangen der Beklagten vom 17.07.2015 lasse jedoch nicht erkennen, dass die Beklagte eine Software verwendet habe, die ermögliche, ein Mieterhöhungsverlangen nach Eingabe der konkreten Daten automatisiert zu versenden. Vielmehr liege ein inhaltlich (nur) auf den Kläger bezogenes, individuelles Schreiben vor. Der äußere Anschein, das Schriftbild und der Fließtext sprächen dagegen, dass die Beklagte eine automatisierte Software genutzt habe.
Verfahren 18 S 357/15
Die Zivilkammer 18 des Landgerichts Berlin ging im Urteil vom 14.09.2016 dagegen davon aus, dass entgegen dem Wortlaut des Gesetzes die allgemeinen Vorschriften über den Verbraucherschutz nicht für bestehende Mietverträge gelten würden, sondern nur für den Abschluss eines (neuen) Mietvertrages.
Darum geht es
In dem hier zu entscheidenden Fall ging es um die Mieterhöhung für ein in Berlin-Spandau gelegenes Einfamilienhaus. Die Vermieterin hatte dem Mieter mit Schreiben vom 21.01.2015 per Brief gebeten, der Erhöhung der Miete von 853,02 € um 127,94 € auf 980,96 € monatlich zuzustimmen. Der Mieter gab diese Erklärung im April 2015 ab und zahlte ab diesem Monat auch die erhöhte Miete. Mit Schreiben vom 29.07.2015 widerrief der Mieter seine Zustimmung und forderte die Vermieterin auf, die gezahlten Differenzbeträge zurückzuerstatten.
Da die Vermieterin dem nicht nachkam, erhob der Mieter Klage auf Rückzahlung der überwiesenen Differenzbeträge von insgesamt 639,70 € und Feststellung, dass die Miete unverändert 853,02 € betrage. Das Amtsgericht Spandau wies die Klage ab, da die Verbraucherschutzvorschriften, die insbesondere auf den Vertrieb von Waren aus dem Internet zugeschnitten seien, nicht anwendbar seien.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Die Berufung des Mieters blieb ohne Erfolg. Die Zivilkammer 18 des Landgerichts vertrat die Auffassung, die Verbraucherschutzvorschriften seien nicht anwendbar.
Aus der Begründung des Gesetzgebers lasse sich herleiten, dass Erklärungen über Mieterhöhungen nicht unter diesen Schutz fallen sollten. Zudem käme es anderenfalls zu widersprüchlichen Folgen aufgrund der mietrechtlichen Sonderbestimmungen. Denn wenn der Mieter nicht zustimme, müsse der Vermieter innerhalb einer bestimmten Frist Klage auf Zustimmung erheben.
Habe der Mieter zunächst zugestimmt, widerrufe er jedoch später seine Erklärung, könne jedoch die Klagefrist schon abgelaufen sein. Zudem könne ein Mieter auch stillschweigend durch sein Handeln, insbesondere indem er die geforderte Miete mehrfach zahle, seine Zustimmung zu der Erhöhung zum Ausdruck bringen. Bei einem solchen konkludenten Handeln sei ein wirksamer Widerruf jedoch nicht möglich.
Landgericht Berlin, Urt. 10.03.2017 - 63 S 248/16 und Urt. v. 14.09.2016 - 18 S 357/15
Quelle: Landgericht Berlin, Pressemitteilung v. 21.04.2017