Wer ein fremdes Fahrzeug wegschiebt, um die eigene Garagenzufahrt freizumachen, muss nicht unbedingt einen dadurch am Fahrzeug entstandenen Schaden ersetzen. Der Mieter der Garage kann die Störung seines Besitzrechts insoweit auch selbst beseitigen. Das hat das Amtsgericht München entschieden. Im Streitfall ging es um die Kosten eines Schadens an einem Automatikgetriebe.
Darum geht es
Der Kläger fuhr am 11.12.2017 am frühen Abend mit einem älteren automatikgetriebenen VW-Sharan samt Anhänger zur Corneliusstraße in München, um dort einen Schrank abzuholen, den er über ebay-Kleinanzeigen gekauft hatte.
Da unklar war, ob er das Fahrzeuggespann im Hof wenden konnte, hielt er zunächst in der Einfahrt, einer Feuerwehrzufahrtszone, in der absolutes Halteverbot galt. Das Auto samt Anhänger versperrte auch vollständig die Zufahrt zum Hof. Der Kläger verließ dann zusammen mit seinem Helfer das Auto, um den Verkäufer des Schrankes zu treffen. Seine siebenjährige Tochter blieb allein im Auto zurück.
Der Beklagte wollte als Mieter einer Garage im besagten Hof zu seiner Garage fahren. Er stieg deswegen aus seinem Auto aus um den Fahrer des behindernden Fahrzeugs zu bitten, zur Seite zu fahren. Er stellte fest, dass in dem Fahrzeug kein Fahrer und die Tür des Fahrzeugs nicht verschlossen war. Er will die Tochter des Klägers nach dem Fahrer gefragt haben, diese habe aber nicht angeben können, wann der Vater zurückkommen würde.
Um das Hindernis zu beseitigen stellte der Beklagte deswegen das Automatikgetriebe von P auf N, und schob das Fahrzeug samt Anhänger nach vorne und so zur Seite der Einfahrt. Dort zog er dann die Handbremse an. Der Zündschlüssel des klägerischen Fahrzeugs steckte zu dieser Zeit nicht im Schloss. Danach parkte er sein Fahrzeug in seiner Garage im Hof.
Der Kläger kam zum Fahrzeug zurück, als der Beklagte in den Hof gefahren war, nach eigener Einschätzung etwa drei Minuten nach dem Abstellen des Fahrzeugs. Danach habe er beim Weiterfahren bemerkt, dass das bis dahin intakte Getriebe durch das Schalten bei abgezogenem Zündschlüssel beschädigt worden sei. Für Reparatur und Mietwagen habe er 1.332,94 € bezahlen müssen.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Der zuständige Richter am Amtsgericht München sah den Schadensersatzanspruch als unbegründet an und wies die Klage des Klägers auf Schadensersatz in Höhe von 1.332,94 € ab.
In Betracht kommt als Anspruchsgrund nur eine Schadensersatzpflicht aus deliktischen Anspruchsgrundlagen. Diese setzen aber ein Verschulden voraus, also die Vorwerfbarkeit und damit die Widerrechtlichkeit des als schadensbegründend geltend gemachten Verhaltens. Schon hieran fehlt es. Das Verhalten des Beklagten war durch besitzrechtliche Selbsthilfe gedeckt und deswegen nicht widerrechtlich.
Der Kläger störte den Beklagten durch die Verhinderung der Zufahrt in dessen Besitzrecht an seiner Garage und war deswegen zur Beendigung der Störung verpflichtet. Diese Beseitigung durfte der Beklagte selbst vornehmen, und zwar mit Gewalt, § 865 BGB.
Zwar unterliegt auch das Selbsthilferecht Schranken des Übermaßverbotes, so dass bei geringfügigen Störungen nicht uneingeschränkt „Gewalt“ angewendet werden darf.
Dass das Verstellen des Schalthebels eines Automatikgetriebes, ohne dass der Zündschlüssel steckt, zu einer Beschädigung des Getriebes führt, ist (bei Wahrunterstellung dieser bestrittenen Behauptung) jedenfalls nicht so offensichtlich, dass sich dies jedermann aufdrängt. Das Verhalten des Beklagten wäre nur fahrlässig.
Aufgrund der berechtigten Reaktion auf eine Besitzstörung verliert aber das Verhalten in diesem Umfang seine Vorwerfbarkeit. Der Beklagte durfte das fremde Auto öffnen, den Schalthebel auf Fahrt umschalten und das Auto wegschieben, da nicht für jeden offensichtlich war, dass das Auto dadurch beschädigt werden würde.
Entgegen der Auffassung der Klägerseite musste der Beklagte auch nicht abwarten. Nur wenn ersichtlich ist, dass die Störung sofort behoben wird, also der gestörte Besitzer mit der Beseitigung der Störung nicht schneller sein würde als der Störer, wäre ein „Abwarten“ zu fordern.
Unstrittig ist, dass für den Beklagten nicht zu ersehen war, wann der Kläger zum Auto zurückkommen würde. Auch etwa eine sofortige Erreichbarkeit über eine Handynummer war nicht auf einem Zettel hinter der Windschutzscheibe sichtbar vermerkt.
Das Urteil ist nach Rücknahme der Berufung rechtskräftig.
Amtsgericht München, Urt. v. 13.06.2018 - 132 C 2617/18
Quelle: Amtsgericht München, Pressemitteilung v. 18.01.2019