Verpasst ein Fluggast infolge überlanger Wartezeit an der Sicherheitskontrolle des Flughafens seinen Flug, kann er Entschädigung für die Kosten des Ersatzflugs verlangen. Voraussetzung ist, dass er sich entsprechend der Empfehlungen rechtzeitig beim Check-In eingefunden und ohne erhebliche Verzögerungen die Sicherheitskontrolle aufgesucht hat. Das hat das OLG Frankfurt entschieden.
Darum geht es
Die Kläger nehmen die Bundesrepublik Deutschland auf Schadensersatz wegen eines verpassten Flugs in Anspruch. Die Beklagte organisiert die Sicherheitskontrolle am Frankfurter Flughafen. Die Kläger wollten von dort in die Dominikanische Republik fliegen.
Die Abflugzeit war 11.50 Uhr, das Boarding begann 10.50 Uhr; das Gate schloss um 11.30 Uhr. Die Kläger passierten die Sicherheitskontrolle zu spät. Das Boarding war bereits abgeschlossen, als sie den Flugsteig erreichten.
Die Kläger verlangen nun Entschädigung für die entstandenen Kosten der Ersatztickets sowie der zusätzlichen Übernachtung und behaupten, dass die Sicherheitskontrolle nicht ausreichend organisiert gewesen sei. Es sei zu unzumutbaren Wartezeiten gekommen.
Das Landgericht hatte die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt (Landgericht Frankfurt am Main, Urt. v. 05.08.2020 - 2/4 O 405/19).
Wesentliche Entscheidungsgründe
Die Berufung hatte vor dem OLG Frankfurt keinen Erfolg.
Die Beklagte habe zwar bei der Organisation der Sicherheitskontrolle keine Amtspflichten verletzt, insbesondere nicht zu wenig Personal für die Sicherheitskontrolle eingesetzt. Den Klägern stehe aber ein Schadensersatzanspruch über die Grundsätze der Aufopferung bzw. wegen enteignenden Eingriffs zu.
Wenn eine eigentlich rechtmäßige Maßnahme unmittelbar auf die Rechtsposition des Eigentümers einwirke und zu einem Sonderopfer führe, dass die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren überschreite, könne ein solcher Anspruch entstehen.
Hier habe die Wartezeit zur Gepäck- und Personenkontrolle dazu geführt, dass die Kläger ihren Flug verpasst haben. Die Kläger müssten sich zwar grundsätzlich auf die Kontrolle und deren Dauer, die erhebliche Zeit in Anspruch nehmen könne, von vornherein einstellen.
Ein Fluggast müsse sich aber nicht auf eine beliebige Dauer einstellen, sondern dürfe sich nach den Empfehlungen des Flughafenbetreibers oder Vorgaben der Fluggesellschaft richten.
Die Kläger seien rechtzeitig erschienen. Gemäß den Empfehlungen des Frankfurter Flughafens für internationale Flüge sollten sie sich zwei Stunden vor Abflug zum Check-In einfinden.
Die Kläger hätten unstreitig den Check-In bereits um 9.00 Uhr absolviert. Von dort hätten sie sich nach Bekanntgabe des Gates zur Sicherheitskontrolle begeben und in die dortige Warteschlange spätestens um 10:00 Uhr eingereiht. Auch dies sei rechtzeitig gewesen.
Bis zum Ende der Boardingzeit verblieben um 10:00 Uhr noch 90 Minuten. Es gebe keine dem Senat bekannten Hinweise oder Erfahrungswerte, dass dieser Zeitraum nicht hinreiche.
Den Klägern könne auch nicht vorgeworfen werden, dass sie nach dem Check-In zulange verweilt hätten. Der Fußweg sei in ca. 15 Minuten zu bewältigen gewesen.
Der Flugsteig sei auf den Bordkarten nicht aufgedruckt gewesen und um 9.00 Uhr noch nicht auf den Anzeigetafeln bekannt gegeben worden. Ein erhebliches „Vertrödeln“ der verbliebenen Zeit nach dem Check-In sei nicht feststellbar.
Zwar hätten die Kläger noch in einem Bistro Café und Gebäck erworben und danach die Toilette aufgesucht. Es sei aber nicht festzustellen, dass dies besonders viel Zeit in Anspruch genommen habe – jedenfalls könne der Zeitraum, soweit er für die Erledigung menschlicher Bedürfnisse benötigt wurde, nicht als vorwerfbare Verzögerung beurteilt werden.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei festzustellen, dass sie sich spätestens um 10:00 Uhr in der Schlange vor der Sicherheitskontrolle angestellt hätten und damit 90 Minuten vor dem Abflug.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 27.01.2022 - 1 U 220/20
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Pressemitteilung v. 03.02.2022