Die Nichtbeförderung von Reisegepäck rechtfertigt bei einer verpassten Gepäckaufgabe keine Kündigung des Reisevertrags auf Grund eines Reisemangels. Das hat das Amtsgericht München entschieden. Im Streitfall hatte ein Ehepaar das Angebot der Fluggesellschaft abgelehnt, den Flug ohne Gepäckaufgabe anzutreten, nachdem es den empfohlenen Zeitpuffer für die Anreise nicht eingehalten hatte.
Darum geht es
Die Klägerin hatte bei der Beklagten für sich und ihren Ehemann eine Pauschalreise nach Kuba von 08.02.2020 bis 23.02.2020 gebucht. In der Pauschalreise inbegriffen war ein Rail & Fly-Ticket für eine Bahnfahrt am Tag des Hinfluges zum Flughafen München.
Als die Klägerin und ihr Ehemann am Flughafen ankamen, hatte das Boarding für den Flug nach Kuba bereits begonnen. Eine Gepäckaufgabe war für die Reisenden nicht mehr möglich, weder am Gepäckautomaten noch am Check-in Schalter.
Das Angebot der Fluggesellschaft, den Flug ohne Aufgabegepäck anzutreten, lehnten die Klägerin und ihr Ehemann ab.
Die Klägerin führt aus, sie sei gemeinsam mit ihrem Ehemann auf Grund einer Zugverspätung gegen 11:00 Uhr am Schalter der Fluggesellschaft eingetroffen. Da die Gepäckaufgabe bis 11:10 Uhr hätte möglich sein sollen, sei das bereits begonnene Boarding kein Grund gewesen, die Flugreise nach Kuba mit Aufgabegepäck zu verweigern.
Nach Sichtweise der Beklagten, beruhe die Nichtbeförderung ausschließlich auf der Verletzung von Mitwirkungshandlungen der Reisenden. Entgegen wiederholter Hinweise hätten die Reisenden keine, allenfalls unangemessen kurze Zeitreserven für die mehr als 400 km lange Anreise zum Flughafen eingeplant.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Amtsgericht München hat die Klage auf Rückerstattung des Reisepreises in Höhe von 3.998 € gegen den Reiseveranstalter abgewiesen.
Der Nichtantritt der Weiterbeförderung per Flugzeug durch die Klägerin trotz entsprechenden Angebotes der Beklagten bzw. ihres Beförderungsunternehmens stellt demnach eine konkludente Kündigung des Reisevertrages dar.
Die Kündigung war nach dem Gericht aber nach § 651l Abs. 1 Satz 1 BGB nicht wirksam, da kein (erheblicher) Reisemangel vorlag.
Einem Reisenden obliegen bei der Durchführung einer Reise grundsätzlich Mitwirkungsobliegenheiten, wie etwa bei Flugreisen die Pflicht, rechtzeitig am Flughafen zur Abfertigung zu erscheinen und bei vereinbarter Bahnanreise die Pflicht, die Zugverbindung so zu planen, dass der Reisende rechtzeitig am Flughafen erscheinen kann.
Vorliegend hat die Beklagte auf den von der Klägerin genutzten Rail&Fly-Tickets empfohlen, die Anreise so zu planen, dass der Reisende den Check-in Schalter zwei Stunden vor Abflug erreicht, und zusätzlich einen Zeitpuffer von 45 Minuten je 100 km Anreise einzuplanen.
Tatsächlich ist die Klägerin den Empfehlungen der Beklagten nicht gefolgt, indem sie eine Zugverbindung gewählt hat, die eine planmäßige Ankunft am Flughafen nicht einmal zwei Stunden vor Abflug um 11:50 Uhr vorsah.
Der Hinweis des ausführenden Luftfahrtunternehmens auf der Boardkarte, eine Gepäckabgabe am Gepäckautomaten könne später als 11:10 Uhr nicht erfolgen, vermag an dem überwiegenden Verschulden der Klägerin an der Nicht-Beförderung ihres Gepäcks vorliegend nichts zu ändern.
Denn zum einen handelt es sich insoweit lediglich um eine Erklärung der Erfüllungsgehilfin der Beklagten, auf welche die Klägerin angesichts der sich aus dem Rail & Fly-Ticket ergebenden entgegenstehenden Anreisehinweise der Beklagten als ihrer Vertragspartnerin nicht vertrauen durfte.
Zum anderen durfte die Klägerin auch nicht davon ausgehen, dass sie tatsächlich bis zur buchstäblich letzten Minute Gelegenheit haben würde ihr Gepäck abzugeben. Darauf deutet bereits der Wortlaut des Hinweises „nicht später als“ (statt: „bis“) hin.
Auch sind geringfügige Verschiebungen der Abflug- und Boardingzeiten vor und zurück aufgrund der Abläufe an einem großen Flughafen wie dem Münchner mit eng getakteten Zeitkorridoren und einer Vielzahl von Abflügen und Ankünften regelmäßig zu erwarten.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Amtsgericht München, Urt. v. 04.08.2021 - 158 C 4570/20
Quelle: Amtsgericht München, Pressemitteilung v. 15.01.2024