Das OLG Stuttgart hat wegen Verjährung die Klagen von Autokäufern zurückgewiesen, mit denen diese im Abgasskandal Schadensersatz von VW verlangt hatten. Das Gericht ging von dem Grundsatz aus, dass die insoweit relevante Kenntnis regelmäßig dann vorliegt, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Klage - zwar nicht risikolos - aber erfolgversprechend möglich war.
Darum geht es
Die Kläger hatten jeweils im Jahr 2012 und 2013 von Privatpersonen oder Händlern Fahrzeuge gekauft hatten, die mit einem von der Volkswagen AG hergestellten Dieselmotor vom Typ EA 189 (EU 5) ausgestattet waren. Für die Fahrzeugmodelle mit diesen Motoren, die vom sog. Abgasskandal betroffen sind, lag zum Zeitpunkt des Erwerbs der Fahrzeuge durch die jeweiligen Kläger eine EG-Typgenehmigung vor.
Mitte Oktober 2015 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) gegenüber der beklagten Volkswagen AG den Rückruf von 2,4 Millionen betroffenen Fahrzeugen an und vertrat die Auffassung, dass es sich bei der in den Fahrzeugen verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Es ordnete an, die entsprechende Software aus allen Fahrzeugen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen.
Mit verschiedenen im Jahr 2016 erteilten Bestätigungen hatte das KBA sämtliche betroffenen Fahrzeug- und Motorvarianten, darunter auch die streitgegenständlichen Fahrzeugtypen, unter der Auflage freigegeben, dass ein von der Beklagten entwickeltes Software-Update der Motorsteuerungsgerätesoftware installiert wird.
Die Kläger verlangten im Jahr 2019 jeweils Schadensersatz wegen sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB ohne Abzug von Nutzungsvorteilen Zug um Zug gegen Übergabe und Rückübereignung der Fahrzeuge sowie entsprechende Zinsen.
Dem wurde erstinstanzlich von den jeweiligen Landgerichten überwiegend, allerdings u.a. unter Abzug von Nutzungsvorteilen bei der Bemessung des Schadensersatzanspruches, entsprochen, weshalb die Kläger ebenso wie die Beklagte, diese gegen ihre Verurteilung zu Schadensersatzzahlungen, jeweils Berufung einlegten.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das OLG Stuttgart hat die erstinstanzlichen Entscheidungen jeweils abgeändert und die Klagen abgewiesen, da gegen die Schadensersatzansprüche erfolgreich die Einrede der Verjährung geltend gemacht werden könne.
Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH liege die erforderliche Kenntnis im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, erfolgversprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hätten nach Ansicht des Berufungsgerichts die Voraussetzungen für eine Klageerhebung bereits im Jahr 2015 vorgelegen und dem Verjährungsbeginn habe seinerzeit nicht die fehlende Zumutbarkeit einer Klageerhebung entgegengestanden.
Vielmehr sei ein Verfahren zur Klärung einer entscheidungserheblichen -und von der obergerichtlichen Rechtsprechung seinerzeit noch nicht entschiedenen- Rechtsfrage stets zumutbar. Zuwarten allein lasse keine Klärung der Rechtslage erwarten.
Weiter hätten die Autokäufer, die ihre jeweiligen Dieselfahrzeuge mit einem EA 189-Motor bereits im Jahr 2012 oder 2013 erworben hatten, nach der Überzeugung des Senats bereits im Jahr 2015 mindestens eine grob fahrlässige Unkenntnis von den gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB für den Beginn der Verjährung erforderlichen Tatsachen gehabt, so dass die Verjährungsfrist mit Ende des Jahres 2015 begonnen habe.
Das Unterlassen der Einholung einer Auskunft über die Betroffenheit des eigenen Fahrzeugs bei der Motorenherstellerin im Jahr 2015 z.B. über die vom Volkswagenkonzern ab Oktober 2015 zur Verfügung gestellte Online-Abfrage sei angesichts der öffentlich verbreiteten Informationen des Kraftfahrtbundesamts und der Motorenherstellerin als grob fahrlässig anzusehen. Somit seien die entsprechenden deliktischen Ansprüche mit Ablauf des 31.12.2018 verjährt.
Die Verjährung sei auch nicht durch eine zwischenzeitliche Anmeldung der Kläger zum Klageregister des Musterfeststellungsverfahrens vor dem OLG Braunschweig gehemmt gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 a BGB. Vielmehr müsse der jeweilige Fahrzeugkäufer und Kläger bei einer Berufung auf eine Verjährungshemmung wegen des Beitritts zu einem Musterfeststellungsverfahren auf das Bestreiten des Beklagten hin den konkreten Beitrittstermin benennen und gegebenenfalls auch belegen.
Der Senat hat die Revisionen gegen die Urteile jeweils zugelassen, so dass die Kläger die Möglichkeit haben, diese Urteile des OLG Stuttgart durch den BGH überprüfen zu lassen.
OLG Stuttgart, Urt. v. 14.04.2020 - 10 U 466/19 und Urt. v. 07.04.2020 - 10 U 455/19
Quelle: OLG Stuttgart, Pressemitteilung v. 15.04.2020