Peter Adrian © fotolia.de

Unfallversicherung: Kein Arbeitsunfall bei Hilfe innerhalb der Familie

Hilft ein enger Familienangehöriger auf einer Baustelle seines Verwandten, fällt er nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Tätigkeit ihr maßgebliches Gepräge aus der Sonderbeziehung zum Bauherrn erhält. Eine versicherte „Wie-Beschäftigung“ nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII liegt dann nicht vor. Das hat das LSG Thüringen entschieden.

Darum geht es

Der Kläger hatte seinem Bruder geholfen, ein Gerüst, das auf dem Wohngrundstück des Bruders stand, abzubauen. Der Kläger erlitt bei seiner Tätigkeit erhebliche Verletzungen an seinem Fuß.

Die Berufsgenossenschaft hat aber einen Arbeitsunfall gemäß der gesetzlichen Unfallversicherung abgelehnt. Das Sozialgericht hat die Klage gegen diese Entscheidung abgewiesen.  

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das Thüringer Landessozialgericht hat die Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung zurückgewiesen nachdem eine Beweisaufnahme durchgeführt worden war.

Nach Auffassung des Senats war die Ansicht der Berufsgenossenschaft und des Sozialgerichts, dass der Kläger als enger Familienangehöriger bei der Hilfeleistung auf einer Baustelle nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand, zu bestätigen. 

Das Gericht hat entschieden, dass bei jemandem, der einem nahen Familienangehörigen beim Gerüstabbau hilft und sich dabei verletzt, kein Arbeitsunfall vorliegt.

Zwar können auch arbeitnehmerähnliche Tätigkeiten außerhalb eines bestehenden Arbeitsverhältnisses als sog. „Wie-Beschäftigung“ unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen.

Nach Durchführung einer Beweisaufnahme konnte das Landessozialgericht aber nicht feststellen, dass im hier zu entscheidenden Fall die Voraussetzungen dafür vorlagen. Zwar hat der Kläger für seinen Bruder eine Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert mit dessen Willen arbeitnehmerähnlich verrichtet.

Nach Durchführung einer Beweisaufnahme ist das Gericht aber zu dem Ergebnis gelangt, dass die verrichtete Tätigkeit ihr maßgebliches Gepräge aus der Sonderbeziehung zum Bauherrn erhielt.

Nach ständiger Rechtsprechung ist das Vorliegen einer „Wie-Beschäftigung“ nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII zu verneinen, wenn die konkrete Tätigkeit ihr Gepräge aus einer Sonderbeziehung des Handelnden zu dem Unternehmer bekommt.

Eine solche Sonderbeziehung wird insbesondere dann angenommen, wenn die Tätigkeit in Erfüllung gesellschaftlicher - insbesondere familiärer oder freundschaftlicher - Verpflichtungen ausgeübt wird.

Entscheidend dabei ist, ob die Tätigkeit als übliche Hilfestellung unter engen Verwandten bzw. Freunden zu bewerten ist. Aus der Beweisaufnahme folgte für den Senat, dass zum Zeitpunkt des Unfallereignisses ein intaktes Verwandtschaftsverhältnis bestand, welches auch eine wechselseitige Bereitschaft einschloss, sich gegenseitig zu helfen und zu unterstützen.

Auch das zeitliche Maß der Unterstützungsleistung, die sich in einem überschaubaren Umfang hielt, sprach für eine Hilfestellung im Verwandtenkreis. In Auswertung aller Umstände des Einzelfalles ist der Senat daher zu der Auffassung gelangt, dass die Motivation des Klägers zur Hilfe beim Gerüstabbau entscheidend durch das nahe Verwandtschaftsverhältnis geprägt war.

Die Entscheidung kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden.

LSG Thüringen, Urt. v. 16.09.2021 - L 1 U 342/19

Quelle: LSG Thüringen, Pressemitteilung v. 16.11.2021

Gratis-Download: Spezialreport BRAO Reform 2021

Das anwaltliche Gesellschaftsrecht endlich neu aufgestellt - aber wie profitiert Ihre Kanzlei konkret von den neuen Regeln und wo gibt es neue Pflichten? Unsere Expertin Diana Pflüger führt Sie sicher durch die Reform!

» Jetzt hier kostenlos herunterladen!