Behinderte Menschen, die wegen ihrer hochgradigen Schwerhörigkeit die Klingel ihrer Wohnung auch mit einem Hörgerät nicht wahrnehmen können, können von der Krankenkasse die Versorgung mit einer Lichtsignalanlage verlangen.
BSG, Urt. v. 29.04.2010 — B 3 KR 5/09 R
Darum geht es
Die 1963 geborene Klägerin leidet an einer hochgradigen, an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit. Akustische Signale wie z.B. eine Türklingel kann sie auch mit Hörgeräten nicht wahrnehmen. Ende Dezember 2005 beantragte sie mit ärztlicher Verordnung die Versorgung mit einer Lichtsignalanlage, die akustische Signale mittels Blitzlampen in optische Signale umwandelt (Gesamtkosten ca. 500 Euro).
Eine Lichtsignalanlage besteht aus einem Sender und mindestens einem Empfänger. Der Sender muss mit der Türklingel durch ein spezielles Kabel verbunden werden. Er nimmt die akustischen Signale auf und wandelt diese in Funkimpulse um, die über die normale Steckdose und das vorhandene Stromnetz zum Empfänger übertragen werden. Der Empfänger, eine Blitzlampe, wandelt die Funkimpulse in Lichtsignale um. Dabei wird zweckmäßigerweise jeder Raum der Wohnung mit einer Blitzlampe ausgestattet.
Die beklagte Krankenkasse lehnte die Versorgung ab und wies den dagegen eingelegten Widerspruch zurück. Das hiergegen angerufene SG hat die Klage abgewiesen. Die Lichtsignalanlage könne von der Klägerin bei einem Wohnungswechsel nicht mitgenommen werden, da eine Kabelverbindung zwischen Sender und Türklingel erforderlich sei. Es handele sich um eine Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes; nur wegen der individuellen Wohnsituation der Klägerin würden drei Blitzlampen benötigt. Das LSG hat das Urteil des SG geändert und die Beklagte verurteilt, die Kosten für die Lichtsignalanlage zu übernehmen. Die vom LSG zugelassene Revision der beklagten Krankenkasse hat keinen Erfolg.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Gem. § 33 SGB V, § 31 SGB IX haben Versicherte, die wegen einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit die Klingel ihrer Wohnung auch mit den vorhandenen Hörgeräten nicht wahrnehmen können, grundsätzlich Anspruch auf Versorgung mit einer Lichtsignalanlage, durch die die akustischen Signale der Türklingel in optische Signale umgewandelt werden.
Keine Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes
Bei einer solchen Lichtsignalanlage handelt es sich um ein Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung, weil die Bestandteile nach den Feststellungen des Landessozialgerichts nicht fest mit dem Gebäude verbunden sind und die Anlage in jeder anderen Wohnung im Wesentlichen unverändert eingesetzt werden kann. Es handelt sich bei dem Einbau der Lichtsignalanlage also nicht um eine Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes (diese Maßnahmen fallen gem. § 40 SGB XI in die Zuständigkeit der Pflegekassen und können nur nach vorheriger Feststellung der Pflegebedürftigkeit bezuschusst werden).
Kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens
Es geht auch nicht um einen — von der Leistungspflicht der Krankenkassen ausgenommenen — allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens (§ 33 Abs 1 SGB V). Ähnliche Lichtsignalanlagen werden zwar auch an bestimmten Arbeitsplätzen eingesetzt (z.B. Tonstudio, Call-Center), regelmäßig aber nicht von Menschen mit intaktem Hörsinn in ihrem Alltag verwendet.
Überprüfung der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der Kosten
Der Rechtsstreit musste jedoch an das Landessozialgericht zurückverwiesen werden, weil noch geklärt werden muss, ob der von der Klägerin eingereichte Kostenvoranschlag hinsichtlich aller dort aufgeführten Komponenten und Preise dem Grundsatz der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit entspricht.
Quelle: BSG - Pressemitteilung vom 29.04.10