Nur wenn grobe Fahrlässigkeit des Versicherten vorliegt, ist die Rentenversicherung berechtigt, eine zu Unrecht gezahlte Rente zurückzufordern. Sie muss dann innerhalb eines Jahres nach Kenntnis der Tatsachen, die zur Rechtwidrigkeit geführt haben, tätig werden. Andernfalls darf der Rentenbezieher den zu viel gezahlten Betrag behalten. Das hat das Sozialgericht Gießen entschieden.
Darum geht es
Die 54jährige Frau bezog von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Rente wegen Erwerbsminderung, die ihr mit Bescheid vom 27.09.2006 rückwirkend ab dem 01.09.2005 bewilligt worden war. Zu dem Zeitpunkt bestand ihr Arbeitsverhältnis noch. Im November 2005 erhielt sie dann eine einmalige Gratifikation ihres Arbeitgebers in Höhe von 1.125,00 €, die auf die Rente hätte angerechnet werden müssen.
Die Zahlung wurde auch am 18.10.2006 an die Rentenversicherung gemeldet, dort aber nicht beachtet. Erst im Februar 2012 bemerkte die Rentenversicherung den Fehler, hörte die Klägerin zu einer beabsichtigten Rückforderung in Höhe von 212,05 € an und forderte den Betrag dann zurück. Sie begründete dies damit, die Rentnerin habe grob fahrlässig gehandelt, da sie die Rechtswidrigkeit hätte erkennen können. Sie hätte die Zahlung auch mitteilen müssen. Dies ergebe sich aus den Hinweisen im Antragsformular und auch aus dem Rentenbescheid.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte sich dieser Sichtweise nicht anschließen und hat der Klage stattgegeben. Grobe Fahrlässigkeit liege nur dann vor, wenn jemand die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Davon könne bei der Frau angesichts der Kompliziertheit der Regelungen zum Hinzuverdienst bei Renten wegen Erwerbsminderung und dem aus 29 Seiten bestehenden Rentenbescheid nicht ausgegangen werden.
Hinzu komme der zeitliche Abstand zwischen der Einmalzahlung und dem Rentenbescheid, mit dem die Rente rückwirkend bewilligt worden war. Allenfalls habe die Rentnerin damit möglicherweise fahrlässig, auf keinen Fall aber grob fahrlässig gehandelt. Dass die Rentenversicherung erst 2012 tätig geworden sei, müsse außerdem berücksichtigt werden. Das Gesetz sehe nämlich vor, dass eine Aufhebung eines begünstigenden Bescheides innerhalb eines Jahres nach Kenntnis der entsprechenden Tatsachen erfolgen müsse. Kenntnis von der Einmalzahlung habe die Rentenversicherung aber bereits 2006 gehabt und tätig geworden sei sie erst 2012. Das sei zu spät gewesen.
Die Berufung gegen das Urteil ist nicht zulässig, weil der Streitwert unter 750,00 € liegt.
Sozialgericht Gießen, Urt. v. 30.07.2014 - S 4 R 451/12
Quelle: Sozialgericht Gießen, Pressemitteilung v. 07.08.2014