Die Höhe der Entgeltfortzahlung an Feiertagen ergibt sich, wenn kein höherer tariflicher oder vertraglicher Vergütungsanspruch besteht, aus dem gesetzlichen Mindestlohn. Tarifliche Nachtarbeitszuschläge, die auf den tatsächlichen Stundenverdienst gezahlt werden, müssen ebenfalls mindestens auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns berechnet werden. Das hat das BAG entschieden.
Sachverhalt
Eine Arbeitnehmerin war als Montagekraft mit einem arbeitsvertraglichen Stundenlohn von 7 € beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand ein Manteltarifvertrag der Sächsischen Metall- und Elektroindustrie Anwendung. Danach standen der Arbeitnehmerin u.a. ein Nachtarbeitszuschlag i.H.v. 25 % des tatsächlichen Stundenverdienstes und ein Urlaubsgeld i.H.d. 1,5-fachen durchschnittlichen Arbeitsverdienstes vor.
Im Januar 2015 – also dem ersten Monat, in dem der Mindestlohn von damals 8,50 € pro Stunde galt – rechnete die Arbeitgeberin dann Folgendes ab: Sie zahlte neben dem vertraglichen Stundenverdienst von 7 € eine „Zulage nach MiLoG“. Die Vergütung für einen Feiertag und einen Urlaubstag berechnete sie ebenso wie den Nachtarbeitszuschlag für fünf Stunden nicht auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns, sondern nach der niedrigeren vertraglichen Stundenvergütung, also auf der Grundlage von 7 €. Ein „Urlaubsgeld“ rechnete die Arbeitgeberin zu dem auf die Mindestlohnansprüche an.
Das wollte sich eine Arbeitnehmerin nicht gefallen lassen und legte Klage ein. Sie verlangte eine Berechnung aller im Januar 2015 abgerechneten Arbeits-, Urlaubs- und Feiertagsstunden mit 8,50 € brutto und meinte, auch der Nachtarbeitszuschlag sei auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns zu berechnen.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg. Nach § 2 Abs. 1 EntgFG hat der Arbeitgeber für Arbeitszeit, die aufgrund eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Es gilt also das Entgeltausfallprinzip. Und das gilt auch dann, wenn sich die Höhe des Arbeitsentgelts nach dem MiLoG bestimmt. Denn im MiLoG befindet sich keine anderweitige abweichende Bestimmung. Und ein Rückgriff auf die vertraglich vereinbarte niedrigere Vergütung scheidet ganz offensichtlich aus.
Der tarifliche Nachtarbeitszuschlag muss nach den Bestimmungen des Manteltarifvertrags ebenfalls mindestens auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns von (damals) 8,50 € berechnet werden, da dieser Teil des tatsächlichen Stundenverdienstes i.S.d. Manteltarifvertrags war.
Eine Anrechnung des gezahlten „Urlaubsgeldes“ auf Ansprüche nach dem MiLoG durfte nicht erfolgen, da der Manteltarifvertrag hierauf einen eigenständigen Anspruch gab und es sich gerade nicht um Entgelt für geleistete Arbeit handelte.
Folgerungen aus der Entscheidung
Der Mindestlohn gilt. Und es ist derzeit keine politische Kraft erkennbar, die es schaffen könnte, den Mindestlohn wieder zu kippen. Dementsprechend sind auch die Folgezahlungen – wie Ansprüche auf die Entgeltfortzahlung an Feiertagen oder bei Krankheit sowie die Berechnung von Nachtarbeitszuschlägen – naturgemäß mindestens aus dem Mindestlohn vorzunehmen. Und ein Urlaubsgeld ist gerade kein Entgelt für geleistete Arbeit und daher nicht auf Ansprüche nach dem MiLoG anrechenbar.
Praxishinweis
Arbeitgeber haben sich schlicht und ergreifend an das MiLoG halten. Andernfalls kann natürlich das Lohnniveau auch auf die Höhe des Mindestlohns gesenkt werden. Im vorliegenden Fall könnte der Arbeitgeber beispielsweise darüber nachdenken, das zusätzliche Urlaubsgeld komplett zu streichen. Das wäre natürlich nur dann möglich, wenn Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die Zahlung insbesondere aus einem Tarifvertrag hätten. Dann könnte der Arbeitgeber über eine Änderungskündigung nachdenken. Solche Überlegungen dürften allerdings lediglich dann möglich sein, wenn entweder das KSchG keine Anwendung findet oder der Arbeitgeber sich sicher ist, dass Arbeitnehmer gegen eine Änderungskündigung keine Klage einreichen werden.
Eine Änderungskündigung ist eine normale Beendigungskündigung des Arbeitsverhältnisses verbunden mit dem Angebot des Arbeitgebers, es zu geänderten Bedingungen fortzusetzen. Und dagegen ist eine Änderungskündigungsschutzklage grundsätzlich möglich.
Doch Vorsicht: Den Mindestlohn zu verlangen und dann die Kündigung zu bekommen, ist wohl schon mehreren Arbeitnehmern passiert. Was häufig dabei vergessen wird: Unabhängig vom KSchG und der daraus resultierenden Sozialwidrigkeit einer Kündigung handelt es sich i.d.R. um eine verbotene Maßregelung des Arbeitgebers nach § 612a BGB. Nur, weil ein Arbeitnehmer seine gesetzlichen Rechte einfordert, darf ihm nicht gekündigt werden. Und das gilt natürlich auch für den gesetzlichen Mindestlohn und eine Änderungskündigung.
BAG, Urt. v. 20.09.2017 – 10 AZR 171/16
Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Arno Schrader