Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 04.07.2013 - L 10 R 579/10
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass die gesetzlich Versicherten sich Hörgeräte unter bestimmten Voraussetzungen auch oberhalb des Festbetrages zu Lasten der Krankenkassen verschaffen können. In dem vorliegenden Fall hatte die Krankenkasse nicht die Möglichkeit wahrgenommen auf den Hörgeräteakustiker dergestalt einzuwirken, dass dieser dem Kläger die - den Hörverlust bestmöglich ausgleichenden - Hörgeräte zum Festbetrag zur Verfügung stellt.
Darum geht es
Der Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen lag der Fall eines 1952 geborenen und im Landkreis Emsland lebenden Montagearbeiters zugrunde, der unter einer angeborenen Schwerhörigkeit litt.
Dieser hatte bei dem Integrationsamt einen Kostenzuschuss für eine Hörgeräteversorgung beantragt, da seine bisher getragenen Hörgeräte so verschlissen seien, dass die anfallenden Reparaturkosten den Wert der Geräte überstiegen. Das Integrationsamt leitete den Antrag nach acht Wochen an die Rentenversicherung weiter. Diese lehnte die Kostenübernahme ab, da der Kläger nicht aus beruflichen Gründen eine besondere Hörgeräteversorgung benötige. Daraufhin erwarb der Kläger bei einem Hörgeräteakustiker Hörgeräte.
Nach Abzug des von seiner Krankenkasse getragenen Kassenanteils musste der Kläger noch ca. 2841,12 € bezahlen. Gegen die Ablehnung der Rentenversicherung klagte der Kläger vor dem Sozialgericht Osnabrück, welches die Klage abwies.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Der 10. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen hat ausgeführt, dass im Falle des Klägers seine berufliche Tätigkeit keine besonderen Anforderungen an die Hörgeräteversorgung (dann wäre die Rentenversicherung zuständig) stelle.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts seien die Krankenkassen für einen möglichst vollständigen Behinderungsausgleich zuständig. Den Hörbehinderten müsse im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in großen Räumen und Umgebungsgeräuschen eröffnet werden. Der 10. Senat erläuterte, dass der Kläger in dem vorliegenden Fall aber nicht darauf verwiesen werden könne, sich Hörgeräte zu dem von der Krankenkasse übernommenen Festbetrag zu beschaffen.
Diese Festbetragsgeräte seien im Falle des Klägers nicht geeignet einen bestmöglichen Ausgleich der Hörstörung herzustellen, denn mit den vom Kläger tatsächlich erworbenen Geräten habe er ein um 20 % besseres Sprachwortverstehen.
Nach dem zwischen den Krankenkassen und der Bundesinnung für Hörgeräteakustiker geschlossenen Vertrag über die Hörgeräteversorgung seien Akustiker verpflichtet, Versicherte aller Schwerhörigkeitsgrade ohne Mehrkosten für den Träger der Krankenversicherung mit solchen Hörgeräten zu versorgen, die den Hörverlust angemessen ausgleichen.
Die im Rechtsstreit beigeladene Krankenkasse des Klägers hätte danach die Möglichkeit gehabt, auf eine im Rahmen des Festbetrages erfolgende Versorgung des Klägers durch den Hörgeräteakustiker hinzuwirken.
Jedenfalls hätte sie den Kläger auf etwa drohende Probleme bei der Versorgung hinweisen müssen. Im vorliegenden Fall hätte sich der Kläger auch nicht bei anderen Akustikern erkundigen müssen, ob diese angemessene Hörgeräte zum Festpreis anbieten, da er die Hörgeräte aufgrund des Verschleißes der alten Geräte zeitnah benötigte.
Das LSG Niedersachsen-Bremen hat das ebenfalls beigeladene Integrationsamt in dem Berufungsverfahren verurteilt, dem Kläger die für die selbstbeschafften Hörgeräte entstandenen Kosten zu tragen. Nur einen Eigenanteil von 20 € für beide Hörgeräte müsse der Kläger selbst tragen.
Eigentlich sei die Krankenkasse im Fall des Klägers für die Hörgeräteversorgung zuständig. Aber das Integrationsamt sei der Träger, der vom Kläger zuerst in Anspruch genommen worden sei. Der „erstangegangene" Träger müsse den Antrag entweder innerhalb von zwei Wochen an den seiner Meinung nach zuständigen Leistungsträger weiterleiten oder die Kostenübernahme unter allen rechtlich in Betracht kommenden Gesichtspunkten prüfen und bei Bestehen eines Anspruches die Leistung erbringen.
Die Revision wurde nicht zugelassen.
Quelle: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Pressemitteilung - vom 12.09.13