Im Rahmen der Mitwirkungspflichten muss eine Bezieherin von SGB II-Leistungen dem Jobcenter den Namen des ihr bekannten Kindesvaters nennen, damit mögliche Unterhaltsansprüche realisiert werden können. Wenn dieser Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen wird, können fiktive Unterhaltszahlungen auf den Leistungsanspruch angerechnet werden. Das hat das Sozialgericht Gießen entschieden.
Darum geht es
Streitig ist die Höhe von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, insbesondere die Anrechnung von Unterhaltsleistungen. Die 1971 geborene, im Lahn-Dill-Kreis lebende alleinerziehende Klägerin steht beim beklagten Jobcenter im Leistungsbezug.
Mit Bescheid vom 22.07.2019 versagte der Beklagte die Leistungen ab August 2019 teilweise in Höhe von 660 € monatlich und legte der Berechnung hierbei einen Unterhaltsanspruch des 2007 geborenen Sohnes der Klägerin nach der Düsseldorfer Tabelle in Höhe von 660 € gegen den Kindesvater zugrunde. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 07.10.2019).
Wesentliche Entscheidungsgründe
Die Klage hatte nur teilweise Erfolg.
Im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten nach § 60 Abs. 1 SGB I muss eine hilfebedürftige Alleinerziehende dem Jobcenter gegenüber den Namen des ihr bekannten Kindesvaters nennen, damit mögliche Unterhaltsansprüche realisiert werden können.
Das Gericht bestätigte zunächst grundsätzlich, dass fiktive Unterhaltszahlungen auf den Leistungsanspruch der Bedarfsgemeinschaft anzurechnen sind, solange die Klägerin ihren Mitwirkungsverpflichtungen durch die Benennung des Kindesvaters nicht nachkommt.
Der Beklagte habe zu Recht die Leistungen nach §§ 60, 66 SGB I teilweise versagt. Darüber hinaus habe die Klägerin auch kein Recht, die Auskunft über den Namen des leiblichen Vaters ihres Sohnes zu verweigern.
Es bestehe kein überragend schützenwertes Interesse der Klägerin an der Verweigerung der Vaterschaftsauskunft, welches die hochrangigen Kindesinteressen, die Interessen des leiblichen Vaters sowie die gesetzlich ausdrücklich geschützten fiskalischen Interessen der nur subsidiär zahlungspflichtigen staatlichen Gemeinschaft deutlich überwiegen würde.
Gleichwohl könne der Beklagte nicht von der höchsten Stufe 10 der Düsseldorfer Tabelle (Nettoeinkommen 5.101 - 5.500 € monatlich) bei der Berücksichtigung der Unterhaltszahlungen ausgehen.
Abzustellen sei viel mehr auf den durchschnittlichen Nettoarbeitslohn eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers, sodass Stufe 2 der Düsseldorfer Tabelle (Nettoeinkommen zwischen 1.901 und 2.300 € monatlich) zugrunde zu legen sei.
Das Gericht gelangte zu dem Ergebnis, dass statt des von dem Beklagten angerechneten fiktiven Unterhalts in Höhe von 660 € monatlich lediglich ein Betrag von 427 € monatlich anzurechnen sei.
Sozialgericht Gießen, Gerichtsbescheid v. 04.12.2020 - S 29 AS 700/19
Quelle: Sozialgericht Gießen, Pressemitteilung v. 11.01.2021