Tritt ein Unfallgeschädigter seine Ansprüche gegenüber der Haftpflichtversicherung und dem Unfallverursacher an einen Sachverständigen ab, kann dieser seine Forderungen nur soweit geltend machen, als sie berechtigt sind. Er darf nur das übliche Honorar berechnen - bestehend aus Grundhonorar und Nebenkosten. Angemessene Nebenkosten sind solche, wie sie auch ein Gerichtsgutachter berechnen kann.
Darum geht es
Am 11.10.2013 kam es zu einem Verkehrsunfall in Pfungstadt, an dem das Fahrzeug der geschädigten Firma aus Griesheim, ein Porsche 911 Turbo, und ein Pkw VW Sharan, der bei der beklagten Versicherung versichert ist, beteiligt waren.
Der Fahrer des Pkw Sharan trägt die alleinige Schuld an dem Unfall, da er dem Porschefahrer die Vorfahrt genommen hatte. Die geschädigte Firma, der der Porsche gehört, beauftragte ein Kraftfahrzeugsachverständigenbüro mit der Erstellung eines Gutachtens zum Unfallwagen. Bereits bei Erteilung des Auftrags an den Sachverständigen trat die geschädigte Firma ihre Schadensersatzansprüche gegen den Fahrer des Sharan und dessen Haftpflichtversicherung an eine Verrechnungsstelle für Kfz-Sachverständige ab.
Zugleich wurde die Haftpflichtversicherung des VW Sharan angewiesen, die Rechnung des Sachverständigen direkt an die Verrechnungsstelle zu bezahlen. Für die Erstellung des Gutachtens berechnete der Sachverständige insgesamt 1880,80 €. Die Kfz-Versicherung, bei der der Pkw Sharan versichert ist, zahlte nur einen Teilbetrag von 1.771 €.
Den Rest, 109,50 €, zahlte die Versicherung nicht. Sie zahlte das geltend gemachte Grundhonorar des Sachverständigen in Höhe von 1.700 €, kürzte jedoch die ebenfalls geltend gemachten 180,50 € Nebenkosten für Fahrtkosten, EDV-Abrufgebühr, Auslagen, Fotos Porto, Telefon um 109,50 € mit der Begründung, dass die Hohe der Nebenkosten nicht angemessen sei und die Kosten massiv überhöht seien.
Die Abrechnungsstelle erhob nun Klage beim Amtsgericht München auf Zahlung der restlichen Nebenkosten in Höhe von 109,50 €.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Amtsgericht München gab der Versicherung Recht. Es wies die Klage ab.
Die geschädigte Firma musste nicht selbst die Rechnung des Sachverständigen bezahlen und auch nicht selbst Klage erheben, da sie ihre Ansprüche an die Verrechnungsstelle abgetreten hat. Mit der Abtretung hat sich die geschädigte Firma jeder Entscheidung darüber enthoben, ob der Vergütungsanspruch des Sachverständigen der Höhe nach berechtigt ist oder nicht.
Gegenüber der Verrechnungsstelle kann die geschädigte Firma verlangen, dass sie von den Ansprüchen des Sachverständigen, den sie selbst beauftragt hat, freigestellt wird. Dies bedeutet, dass die Versicherung nicht kritiklos die Forderung des Sachverständigen bezahlen muss. Sie muss nur berechtigte Forderungen bezahlen und kann unberechtigte Forderungen des Sachverständigen abwehren.
Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass die vom Sachverständigen berechneten Nebenkosten überhöht sind. Da die geschädigte Firma und der Sachverständige nach dem Unfall keine konkrete Vergütung vereinbart haben, kann der Sachverständige nur die übliche Vergütung verlangen. Das ist die Vergütung, die zum Zeitpunkt des Vertrages für Leistungen gleicher Art und Güte und gleichen Umfangs nach allgemeiner Auffassung gewährt wird.
Das Gericht führt im Urteil aus, dass ein Gutachter in einem anderen vergleichbaren Zivilverfahren zu dem Ergebnis gekommen sei, dass es ein ortsübliches Honorar für Kfz-Gutachten nicht gebe. Von den großen Verbänden würden regelmäßig Mitgliederbefragungen zu Gebühren und Nebenkosten durchgeführt, die Tabellen mit den Befragungsergebnissen würden in der Regel die Tatbestände für das Grundhonorar und die weiteren Nebenkosten enthalten, wie z.B. Schreibkosten, Fotokosten, Fahrtkosten und Telefonkosten. 98% der freien Sachverständigen würden ihr Honorar mit einem Grundhonorar auf Basis der Schadenshöhe berechnen.
Das Gericht kommt daher zum Ergebnis, dass grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, wenn ein Sachverständiger eine Rechnung zusammengesetzt aus Grundhonorar und Nebenkosten erstellt. Nach Auffassung des Gerichts sind jedoch die Beträge bei den Nebenkosten unangemessen hoch und können nur gekürzt verlangt werden.
Die Rechtsprechung weigert sich nicht ohne Grund zunehmend die insoweit jeweils in Ansatz gebrachten Positionen ungekürzt zu übernehmen. Schließlich ist in Fachkreisen allgemein bekannt, dass Fotokosten, Kosten für einen zweiten Fotosatz, Schreibkosten, Kopierkosten und Telefonpauschalen in Rechnung gestellt werden, obgleich wohl inzwischen jeder Sachverständige über einen Computer verfügt, in den Fotos digital eingestellt werden, Textbausteine verwendet werden und Dokumente unproblematisch mehrfach ausgedruckt werden können (inkl. von Flatrates). Den jeweils geltend gemachten Positionen stehen damit keine entsprechenden Kosten gegenüber.
Dass dies über so lange Zeit und in dieser Form möglich war und ist, kann nur dadurch erklärt werden, dass es auf dem Markt der Sachverständigen in Verkehrsunfallsachen keine marktentwickelte Preisgestaltung gibt. Denn der Sachverständige wird vom Unfallgeschädigten bei Fremdverschulden beauftragt. Der Geschädigte bezahlt letztendlich nicht selbst die Rechnung. Folglich ist die Preisgestaltung des Sachverständigen für den Unfallgeschädigten bei der Beauftragung nicht von Relevanz und auch üblicherweise kein Entscheidungskriterium.
Im vorliegenden Fall verlangte der Sachverständige für die Nebenkosten ein Vielfaches von dem, was ein gerichtlich bestellter Sachverständiger, der nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) abrechnen muss, erhalten würde.
- Für Fahrtkosten kann ein gerichtlich bestellter Sachverständiger pro Kilometer 0,30 € in Rechnung stellen. Der Sachverständige verlangt hier 0,65 €, das sind 216 % dieses Betrags.
- Die EDV-Abrufgebühr wird in der Nebenkostenabrechnung der BSVK-Honorarbefragung nicht gesondert aufgeführt. In dem oben erwähnten Gutachten, das die erkennende Richterin eingeholt hat, hat der beauftragte Sachverständige auch festgestellt, dass diese Gebühren üblicherweise mit dem Grundhonorar abgegolten sind.
- Bei einem gerichtlich bestellten Sachverständigen werden in der Regel 15 € für pauschale Nebenkosten und Telefonkosten akzeptiert. Der Sachverständige verlangt hier insgesamt 24 €. Das sind 160 % des üblicherweise akzeptierten Betrags bei einem Gerichtssachverständigen.
- Nach dem JVEG können für eine farbig gedruckte Seite, egal wie viele Fotos sie enthält, 2 € in Rechnung gestellt werden. Der Sachverständige verlangt hier für 27 Fotos auf insgesamt 14 Seiten 81 €. Das sind 289 % des Betrags nach dem JVEG.
- Für kopierte Seiten erhält der Gerichtssachverständige 0,50 €. Der Sachverständige hätte hier nur 14 € berechnen dürfen, er verlangt aber 54 €. Das sind 385 % des Betrags nach dem JVEG.
Die Situation der privaten Sachverständigen ist wenigstens im Hinblick auf die Nebenkosten mit der Situation der gerichtlich bestellten Gutachter vergleichbar. Auch die gerichtlich bestellten Gutachter müssen hinsichtlich ihrer Aufwendungen ihre Kosten ausgleichen, sonst würden sie sich langfristig eine andere Tätigkeit suchen.
Im Vergleich zu den Beträgen des JVEG sind die hier angesetzten Nebenkosten mehrfach übersetzt. Deshalb sind die Kostenansätze des Sachverständigen wegen Wuchers im Rahmen der Ermittlung des geschuldeten Honorars nicht anwendbar. Das Gericht hat nach den Grundsätzen des JVEG hinsichtlich der Nebenkosten die angemessene Vergütung festgesetzt.
Danach hätte der Sachverständige für das hier angefertigte Gutachten (netto) maximal 1.760 € ? berechnen dürfen. Die beklagte Versicherung hat aber bereits 1.771 € bezahlt. Somit bestand keine Restforderung mehr und die Klage war abzuweisen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Amtsgericht München, Urt. v. 22.08.2014 - 343 C 3510/14
Quelle: Amtsgericht München, Pressemitteilung v. 06.03.2015