Welche Grundsätze gelten nach einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis bei der Höhe, Auslegung und „zeitratierlichen“ Kürzung der Betriebsrente? Ein Urteil des BAG verdeutlicht die allgemein geltenden Regeln für die schrittweise Berechnung der betrieblichen Altersrente und der Versorgungsleistungen bei einer vorgezogenen Inanspruchnahme durch den Arbeitnehmer.
Sachverhalt
Ein Arbeitgeber hat Versorgungsleistungen zugesagt. Danach ist anderweitiges Einkommen – u.a. die gesetzliche Rente und die Rente der Pensionskasse BASF –anzurechnen. Die Altersrente eines AT-Angestellten wird nur bis zu einem bestimmten Gesamtversorgungshöchstbetrag gewährt. Die Betriebsvereinbarung BV 89 vom 01.02.1989 enthält in Teil E folgende Regelungen für Mitarbeiter, die im Jahr der Frühpensionierung das 55. Lebensjahr vollenden:
[4] „Arbeitslose Mitarbeiter erhalten bis zu dem frühestmöglichen Zeitpunkt, zu dem sie eine Sozialversicherungsrente erhalten können, eine Firmenleistung von 75 % des monatlichen Bruttoentgelts, höchstens jedoch 95 % des Nettoentgelts.“
[11] „Bei AT-Angestellten wird die Firmenrente zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechnet. Hierbei wird die Zeit bis zum frühestmöglichen Zeitpunkt, zu dem Sozialversicherungsrente erlangt werden kann, als Dienstzeit berücksichtigt.“
[12] „Bei Tarifangestellten wird die Werksrente so ermittelt, als wenn der Versicherungsfall beim Ausscheiden eingetreten wäre. Voraussetzung ist, dass der Aufhebungsvertrag bis zum 31.03.1989 abgeschlossen ist. Bei späteren Vertragsaufhebungen wird bei der Berechnung der Anwartschaft grundsätzlich gem. § 2 BetrAVG als rechnerische Obergrenze nicht das 65., sondern das vollendete 63. Lebensjahr zugrunde gelegt.“
Der Angestellte schied aufgrund einer Vereinbarung vom 14.03.1989 zum 30.06.1990 im Alter von 57 Jahren aus. Seine Altersversorgung richtet sich nach der BV 89. Seit dem 01.03.1993 bezieht er eine gesetzliche Rente sowie eine Rente von der Pensionskasse BASF.
Die Parteien streiten darüber, ob der Arbeitgeber eine Quotierung der Vollrente nach § 2 Abs. 1 BetrAVG vornehmen darf und wie die anrechenbare Sozialversicherungsrente zu bestimmen ist. Seit dem 01.07.2010 nimmt der Arbeitgeber eine Quotierung nach § 2 Abs. 1 BetrAVG vor. Dabei berücksichtigt er die Zeit vom 01.07.1990 bis zum 28.02.1993 als tatsächliche Beschäftigungszeit. Außerdem ermittelt er unter Zugrundelegung der allgemeinen Bemessungsgrundlage für das Jahr 1989 die anrechenbare gesetzliche Rente fiktiv auf Basis des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG), das bis zum 31.12.1991 gegolten hat.
Der Angestellte ist der Auffassung, die Berechnung der anrechenbaren gesetzlichen Rente sei fehlerhaft und die Quotierung der Betriebsrente unzulässig. Im Übrigen habe der Arbeitgeber die Quotierung seit 1993 unterlassen und damit zu seinen Gunsten eine betriebliche Übung geschaffen. Das ArbG Köln hat die Klage mit Urteil vom 22.09.2011 (6 Ca 10641/10) abgewiesen, das LAG Köln hat der Klage mit Urteil vom 15.12.2014 (2 Sa 1295/11) teilweise stattgegeben. Auf die (zugelassene) Revision der Beklagten hat das BAG mit Urteil vom 19.05.2016 (3 AZR 131/15) das Berufungsurteil aufgehoben, soweit es der Berufung des Klägers stattgegeben hat.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Die Versorgungszusage enthält keine Regelung zur Berechnung einer vorgezogen in Anspruch genommenen zusätzlichen Altersrente durch einen Arbeitnehmer, der vor Eintritt des Versorgungsfalls ausgeschieden ist.
Die Auslegung der Versorgungsordnung ergibt, dass mit Teil E Abs. 11 Satz 2 BV 89 die Quotierung der fiktiven Vollrente abweichend von § 2 Abs. 1 BetrAVG zugunsten der Arbeitnehmer, die nach Vollendung des 55. Lebensjahres ausgeschieden sind, geregelt wurde. Nicht die tatsächliche, sondern jene Betriebszugehörigkeit wird herangezogen, die bis zur frühestmöglichen Inanspruchnahme der gesetzlichen Sozialversicherungsrente erreicht werden konnte. Mit dieser Modifikation des § 2 Abs. 1 BetrAVG sollten die Nachteile abgemildert werden, die mit dem vorzeitigen Ausscheiden der Arbeitnehmer infolge der zeitanteiligen Berechnung der Versorgungsanwartschaften verbunden sind.
In einem ersten Schritt ist entsprechend § 2 Abs. 1, Abs. 5 BetrAVG die fiktive Vollrente zu errechnen. Die anrechenbare Sozialversicherungsrente ist fiktiv auf die feste Altersgrenze hochzurechnen. Maßgeblich für die fiktive Berechnung der Sozialversicherungsrente sind das letzte Einkommen vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und das im Zeitpunkt des Ausscheidens geltende Sozialversicherungsrecht. Dieses war hierbei das AVG in der bis zum 31.12.1991 geltenden Fassung. Wegen Überschreitens der Gesamtversorgungsobergrenze ist die fiktive Vollrente entsprechend zu kürzen.
In einem letzten Schritt ist die fiktive Vollrente nach § 2 Abs. 1 BetrAVG unter Berücksichtigung der Regelungen in Teil E Abs. 11 BV 89 anteilig zu kürzen.
Die Beklagte ist entsprechend verfahren. Einen sogenannten „untechnischen versicherungsmathematischen Abschlag“ hat sie nicht in Abzug gebracht.
Folgerungen aus der Entscheidung
Das BAG hat wesentliche Fragen der Auslegung von Vereinbarungen zur Quotierung gem. § 2 Abs. 1 BetrAVG und zur Anrechnung von Sozialversicherungsrenten erörtert. Der Regelungsgehalt einer Betriebsvereinbarung über diese Aspekte einer Versorgungszusage ist nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (vgl. BAG, Urt. v. 08.12.2015 – 3 AZR 267/14) zu ermitteln.
Praxishinweis
Die Entscheidung betrifft das Altersversorgungsstatut für AT-Angestellte des Kali- und Salz-Konzerns und rundet dessen Auslegung ab. Im Urteil vom 10.12.2013 (3 AZR 726/11) hat das BAG bereits entschieden, dass das Altersversorgungs-Statut keine Regelungen zur Höhe der Betriebsrente wegen vorzeitigen Rentenbezugs enthält. Das Urteil zeigt hervorragend die einzelnen Schritte, die bei der Ermittlung der Höhe einer zeitanteilig gekürzten Altersrente durchgeführt werden müssen.
BAG, Urt. v. 19.05.2016 – 3 AZR 131/15
Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Dr. Martin Kolmhuber