Eine Kindesmutter, die ihr 2 ½-jähriges Kind im Auto mit dem Autoschlüssel allein lässt, schafft eine ganz erhebliche Gefahr. Startet das Kind ohne Aufsicht das Auto und verursacht dadurch einen Schaden, haftet die Mutter für die Folgen, weil solch ein Geschehen nicht völlig außergewöhnlich ist. Das hat das OLG Oldenburg entschieden. Die Vorinstanz hatte den Fall noch anders bewertet.
Darum geht es
Kleine Kinder sind manchmal unberechenbar. Schon innerhalb kürzester Zeit können sie Dinge anstellen, mit denen man nicht gerechnet hat und die anderen Menschen ggf. Schaden zufügen.
Deshalb hat der Gesetzgeber eine Aufsichtspflicht der Eltern vorgesehen. Über einen solchen Fall hatte das OLG Oldenburg zu entscheiden.
Die beklagte Kindesmutter war mit ihrem 2 ½-jährigen Sohn bei einer Familienfeier im Landkreis Osnabrück, an der auch ihre eigene Mutter, die Großmutter des Kindes, teilnahm.
Gegen Schluss der Veranstaltung setzte sie das Kind in den Kindersitz auf dem Beifahrersitz, schnallte es zunächst nicht an und ging noch einmal ins Haus. Der Junge krabbelte vom Kindersitz, nahm den Autoschlüssel, den die Mutter auf das Armaturenbrett gelegt hatte, und startete den Wagen.
Das Auto machte einen Satz nach vorn und verletzte die Großmutter des Kindes, die ca. 1,5 Meter entfernt auf einer Bank saß. Sie erlitt schwere Verletzungen beider Kniegelenke und musste umfangreich im Krankenhaus behandelt werden.
Die Krankenkasse der Großmutter nahm die Kindesmutter vor dem Landgericht Osnabrück in Anspruch. Die Krankenkasse argumentierte, die Kindesmutter habe ihre Aufsichtspflicht verletzt.
Die Kindesmutter meinte, mit dem Verhalten des Kindes sei nicht zu rechnen gewesen. Das Starten des Wagens sei eine komplexe Abfolge von Handlungen. Sie selbst sei auch nur ein, zwei Minuten weggewesen. Die Fahrzeugtüren habe sie weit offen gelassen.
Das Landgericht Osnabrück folgte der Argumentation der Mutter und wies die Klage ab. Es liege eine ganz außergewöhnliche Kausalkette vor, mit der ein umsichtiger Elternteil nicht zu rechnen brauche.
Dagegen wandte sich die Krankenkasse mit ihrer Berufung, mit der sie weiterhin eine Verurteilung der Kindesmutter anstrebte.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Die Berufung gegen die Entscheidung der Vorinstanz hatte vor dem OLG Oldenburg Erfolg.
Der Senat bejahte eine Haftung der Kindesmutter. Die Kindesmutter sei für das Kind aufsichtspflichtig.
Dabei bestimme sich das Maß der gebotenen Aufsicht nach den Umständen des Einzelfalles und erhöhe sich mit der Gefahrträchtigkeit der konkreten Situation.
Kleinkinder bedürften generell ständiger Aufsicht. Die Kindesmutter habe durch das Alleinlassen des Kindes im Auto – und Zurücklassen des Autoschlüssels – eine ganz erhebliche Gefahr geschaffen.
Das weitere Geschehen sei auch nicht völlig außergewöhnlich gewesen. Kleine Kinder griffen erfahrungsgemäß gern nach Schlüsseln und versuchten, sie in Schlösser hineinzustecken und die Erwachsenen nachzuahmen.
Die Kindesmutter hätte das Kind im Kindersitz anschnallen, die Schlüssel mitnehmen, oder jemanden mit der Beaufsichtigung beauftragen müssen.
Die Kindesmutter muss jetzt für den Schaden einstehen. Der genaue Umfang des Schadensersatzes muss noch geklärt werden.
OLG Oldenburg, Urt. v. 20.04.2023 - 14 U 212/22
Quelle: OLG Oldenburg, Pressemitteilung v. 22.05.2023