Der Anspruch schulpflichtiger Schüler auf ausschließliche Erteilung von Distanzunterricht kommt in der Regel nur bei einer individuellen gesundheitlichen Gefährdung der Schüler oder ihrer in Haushaltsgemeinschaft lebenden Familienangehörigen in Betracht. Das hat das OVG NRW entschieden und die Beschwerde gegen einen Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf zurückgewiesen.
Darum geht es
Der Achtklässler hatte geltend gemacht, sein Recht auf körperliche Unversehrtheit genieße in der aktuellen Pandemielage von vornherein Vorrang vor der Schulbesuchspflicht.
Auch habe das Land Nordrhein-Westfalen nur unzureichende Schutzmaßnahmen gegen eine Infektion von Schülerinnen und Schülern mit dem Coronavirus ergriffen.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Oberverwaltungsgericht NRW hat die Beschwerde zurückgewiesen.
Ein Anspruch schulpflichtiger Schüler auf ausschließliche Erteilung von Distanzunterricht wird demnach in der Regel nur bei einer individuellen gesundheitlichen Gefährdung der Schüler selbst oder ihrer in Haushaltsgemeinschaft lebenden Familienangehörigen in Betracht kommen, insbesondere aufgrund von Vorerkrankungen.
Einen solchen Anspruch mache der Antragsteller jedoch nicht geltend, sondern beruft sich auf ein von einer besonderen Vulnerabilität unabhängiges allgemeines Gesundheitsrisiko aufgrund der Coronavirus-Pandemie.
In dieser Situation sei es Aufgabe des hierfür demokratisch legitimierten Gesetzgebers und der seiner Kontrolle unterliegenden Exekutive, im Spannungsverhältnis von Individualgrundrechten und Schulpflicht eine Abwägung vorzunehmen.
Dabei müssten der Gesundheitsschutz bezogen auf das Risiko einer Infektion mit COVID-19 und etwaiger Folgeerkrankungen einerseits und körperlich-gesundheitliche und psychologische Beeinträchtigungen sowie soziale Auswirkungen aufgrund anhaltenden Distanzunterrichts andererseits einer vertretbaren Bewertung zugeführt werden.
In dieser unzweifelhaft komplexen Entscheidungssituation stehe dem Land ein Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum zu. Die hierauf basierende schulorganisatorische Entscheidung für eine Rückkehr zum Präsenzunterricht in der aktuellen Form genüge den grundrechtlichen Anforderungen mit Blick auf staatliche Schutzpflichten gegenüber Schülern.
Sie stehe auch im Einklang mit den völker- und menschenrechtlichen Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Zum derzeitigen Zeitpunkt sei es vertretbar, am Präsenzunterricht unter Beachtung der in der Coronabetreuungsverordnung statuierten allgemeinen Regelungen für den schulischen Bereich, der Maskenpflicht, der Teilnahme- und Zugangsbeschränkungen für schulische Gemeinschaftseinrichtungen und der Schultestungen festzuhalten.
Flankiert werde dieses Schutzkonzept durch Quarantänebestimmungen zur Kontrolle des Infektionsgeschehens sowie durch Vorgaben des Ministeriums für Schule und Bildung, wonach eine Entbindung vom Präsenzunterricht zum Schutz vorerkrankter Angehöriger grundsätzlich, wenn auch nur in eng begrenzten Ausnahmefällen und vorübergehend, in Betracht kommen könne.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
OVG NRW, Beschl. v. 22.09.2021 - 19 B 1458/21
Quelle: OVG NRW, Pressemitteilung v. 22.09.2021