Das Verwaltungsgericht Hannover hat im Eilverfahren entschieden, dass ein vierjähriges Kind, bei dem ein frühkindlicher Autismus vorliegt, einen Anspruch auf einen bedarfsgerechten integrativen Kindergartenplatz hat. Dieser Anspruch ist demnach ein Erfüllungsanspruch, bei dem ein Kostenanerkenntnis des Trägers und der Verweis auf eine Beschaffung durch die Eltern nicht ausreichen.
Darum geht es
Der Antragsteller ist vier Jahre alt und lebt mit seinen Eltern in Garbsen. Laut einer Ende 2023 erstellten fachärztlichen Stellungnahme liegt bei ihm frühkindlicher Autismus vor.
Die Stellungnahme empfiehlt die Betreuung des Antragstellers in einer geeigneten Kindertagesstätte, vorrangig in einer Gruppe mit heilpädagogischer Förderung.
Seit seinem dritten Lebensjahr gewährt der Fachbereich Teilhabe der Antragsgegnerin, die Region Hannover, dem Antragsteller ambulante Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX als sog. Frühförderung im Umfang von zuletzt vier Wochenstunden.
Die Eltern des Antragstellers konnten nachfolgend mit eigenen Bemühungen einen geeigneten Betreuungsplatz nicht finden und ersuchten den Fachbereich Teilhabe der Antragsgegnerin und die Stadt Garbsen ebenfalls vergeblich um den Nachweis eines solchen Platzes.
Auf eine anwaltliche Beschwerde vom September 2024 hin erteilte der Fachbereich Teilhabe der Antragsgegnerin dem Antragsteller im November 2024 Kostenanerkenntnisse ohne jedoch einen konkreten Betreuungsplatz zu benennen.
Parallel versuchte der Fachbereich Teilhabe der Antragsgegnerin nunmehr mittels konkreter Anfragen bei verschiedenen Einrichtungsträgern - bisher - erfolglos, dem Antragsteller einen Betreuungsplatz in einem Heilpädagogischen Kindergarten oder einen Integrationskindergartenplatz zu vermitteln.
Der Antragsteller hat beim Verwaltungsgericht Hannover einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Verwaltungsgericht Hannover hat im Eilverfahren entschieden, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Bereitstellung eines bedarfsgerechten Kindergartenplatzes nach § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII gegen die Antragsgegnerin hat.
Die Antragsgegnerin sei für diese Bereitstellung auch als Jugendhilfeträgerin sachlich zuständig und inhaltlich verpflichtet. Der Anspruch nach § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII stünde unterschiedslos allen Kindern, auch solchen mit Integrationsbedarf, zu.
Der Anspruch sei zudem ein Erfüllungsanspruch, bei dem ein Kostenanerkenntnis und der Verweis auf die eigenständige Beschaffung der Leistung nicht ausreichen würden.
Dies gelte auch dann, wenn in tatsächlicher Hinsicht ein dem individuellen Bedarf des Kindes entsprechender Kindergartenplatz aktuell nicht zur Verfügung stünde. Der Anspruch sei kapazitätsungebunden.
Der Anspruch auf Bereitstellung eines bedarfsgerechten Kindergartenplatzes könne trotz eines ab dem Sommer 2025 bestehenden Platzangebots im Eilverfahren geltend gemacht werden, weil jeder verstreichende Tag den Anspruch des Kindes auf frühkindliche Bildung verkürze.
Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Den Parteien steht das Rechtsmittel der Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Lüneburg zu.
Verwaltungsgericht Hannover, Beschl. v. 13.03.2025 - 3 B 581/35
Quelle: Verwaltungsgericht Hannover, Pressemitteilungen v. 05.02.2025 und 13.03.2025