Erstellt ein Rechtsanwalt auftragsgemäß ein Testament, ist dies regelmäßig eine bloße „Beratung“ nach dem RVG mit der Folge, dass als Honorar lediglich eine Beratungsgebühr, aber keine vom Gegenstandswert abhängige Geschäftsgebühr verlangt werden kann. Das hat der BGH entschieden. Die Frage, welche Gebührenfolge der Entwurf von Testamenten auslöst, war bislang umstritten.
Sachverhalt
Die klagenden Rechtsanwälte wurden von zwei in nichtehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Auftraggebern beauftragt, für beide Vorsorgevollmachten, Patientenverfügungen und jeweils ein Testament, das auf das des anderen abgestimmt ist, zu entwerfen. Die Rechtsanwälte teilten mit, wie hoch die zu erwartenden Kosten bei dem Nachlassumfang von 168.000 € wären. Die Rechtsanwälte übersandten Entwürfe und schlugen mit demselben Schreiben ein Pauschalhonorar von 2.400 € zzgl. 20 % Auslagenpauschale und Umsatzsteuer vor.
Streitig ist, ob die Parteien sich danach telefonisch auf ein Pauschalhonorar von 1.400 € zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer einigten. Hierüber gibt es nur eine schriftliche Bestätigung der Rechtsanwälte. Eine Zahlung der Auftraggeber erfolgte aber nicht. Die Rechtsanwälte rechneten dann auf der Grundlage einer (am Vermögen der Auftraggebern orientierten) 1,6-fachen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG (1,3-fachen Geschäftsgebühr zzgl. 0,3 Erhöhungsgebühren) i.H.v. 2.600 € netto nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer ab; insgesamt 3.188,25 €.
Das AG gab der Klage der Rechtsanwälte statt, verweigerte jedoch einen Teil der Zinsen. Auch die Berufung der Mandanten war erfolglos, diese legten Revision ein. Der BGH hob das Urteil auf und verwies zurück an das Berufungsgericht.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Das Berufungsgericht hatte die Anwendung einer gegenstandswertbezogenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG für rechtens erachtet. Da im konkreten Sachverhalt zwei aufeinander abgestimmte Testamente entworfen wurden, nach denen der Widerruf des einen auch den Widerruf des anderen zur Folge gehabt hätte, hatte das Berufungsgericht hier eine „vertragsähnliche Gestaltung“ bejaht.
Zudem hatten die Rechtsanwälte ihre Aufklärungspflicht zu den Kosten nicht verletzt: Sie hatten darauf hingewiesen, dass sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richteten. Die Höhe der konkret anfallenden Gebühren muss ein Rechtsanwalt auch nicht ungefragt mitteilen.
Dem tritt der BGH entgegen und stellt fest: Ein Rechtsanwalt kann für zweierlei Tätigkeiten Honorar verlangen. Einerseits für eine Beratung und andererseits für eine (außergerichtliche und/oder gerichtliche) Vertretung, i.S.d. „Betreibens eines Geschäfts“ für den Mandanten. Diesem „Betreiben eines Geschäfts“ ist die „Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags“ gleichgestellt. Die Gestaltung eines Testaments, auch das Gestalten von zwei inhaltlich aufeinander bezogenen Testamenten, ist aber kein „Betreiben eines Geschäftes“ und keine „Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags“.
Umstritten ist, ob der Entwurf eines Einzeltestaments eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG (gegenstandswertabhängig), oder nur eine Beratungsgebühr nach § 34 RVG (190,00 € zzgl. Auslagen zzgl. Steuern) auslöst.
Die zweite Auffassung ist gemäß BGH zutreffend. So ist die Geschäftsgebühr für eine „Vertretung des Mandanten“ fällig. Eine Vertretung kommt begrifflich aber nur gegenüber Dritten in Betracht. Dieses kann nur dann der Fall sein, wenn der Mandant den Auftrag erteilt, der auf eine Tätigkeit nach außen hin gerichtet ist.
Im Gegensatz dazu ist eine Tätigkeit, die nur nach innen gerichtet ist, also nur gegenüber dem Mandanten selbst (wie klassisch bei der Erstellung eines Testaments), immer nur eine Beratung. Tätigkeit nach außen war im konkreten Fall nicht geschuldet und wurde auch nicht erbracht. Eine inhaltliche Bezugnahme der Testamente aufeinander genügt auch nicht dem Kriterium, dass eine Tätigkeit nach außen hätte entfaltet werden müssen.
Auch die Rechtswirkung nach außen (gegenüber späteren Erben, Vermächtnisnehmern, Pflichtteilsberechtigten) ist nicht hinreichend, um eine (vom Anwalt unmittelbar nach außen zu erbringende) Tätigkeit anzunehmen. Zudem ist auch die Gestaltung eines Vertrages, was dem „Betreiben eines Geschäfts“ gleichgestellt ist, nicht gegeben.
Das wäre nur der Fall, wenn sich die anwaltliche Tätigkeit auf einen Vertrag bezieht. Hier sollten zwei Testamente erstellt werden, und gerade nicht ein Erbvertrag. Der BGH lässt an dieser Stelle offen, ob das Entwerfen eines Ehegattentestaments (§ 2265 BGB, aber auch § 10 Abs. 4 Lebenspartnerschaftsgesetz) eine Geschäftsgebühr auslösen kann.
Auch das Argument, eine entsprechende Auslegung des RVG benachteilige die Rechtsanwälte und verhindere, dass diese die verfassungsmäßig gebotene „angemessene Vergütung“ erhalten müssten, greift nicht. So ist der Rechtsanwalt gehalten, auf eine Gebührenvereinbarung (gleich, ob nach Stundensätzen oder Pauschalgebühren) hinzuwirken, § 34 Abs. 1 Satz 1 RVG. Lehnt der Mandant ein solches ab, kann der Rechtsanwalt das Mandat ablehnen, wenn es ihm unwirtschaftlich erscheint. Sieht er hiervon aber ab, dann muss er auch die möglicherweise nominell niedrige Vergütung bei den erteilten Mandanten hinnehmen.
Der BGH verweist zurück: § 34 Abs. 1 RVG sieht nicht vor, dass für alle entfalteten Tätigkeiten zwingend insgesamt nur eine einzelne Beratungsgebühr abgerechnet werden darf. So waren ja immerhin sechs Dokumente erstellt worden, die weder ein Vertrag waren noch deren Erstellung das „Betreiben eines Geschäfts“ darstellten.
Folgerungen aus der Entscheidung
Der BGH stellt nun die seit langer Zeit in der erbrechtlichen Judikatur umstrittene Frage klar, wie für den Anwalt das bloße Erstellen eines Einzeltestaments zu vergüten ist. Hier war umstritten, ob dies nach einer Geschäftsgebühr, ausgehend vom Gegenstandswert in Höhe des Aktivnachlasses, oder nur im Sinne einer Beratungsgebühr, gedeckelt auf die vorstehenden Beträge, möglich ist.
Dies ist ein entscheidendes Kriterium, denn bei hohen Nachlassaktiva können die Gebühren immens sein, bei einem Abstellen auf die bloße Beratungsgebühr aber auch nominell sehr niedrig. Der BGH stellt nun auf eine Beratungsgebühr ab. Offen gelassen hat der BGH die Frage, ob im Hinblick auf die Erstellung eines Erbvertrags, an dem zwei Personen sich vertraglich binden, oder bei der Erstellung von Ehegattentestamenten nach § 2265 ff. BGB etwas anderes gelten müsse.
Praxishinweis
Sowohl für die beratenden Rechtsanwälte als auch für die beratungsbedürftigen Mandanten ist die Entscheidung maßgeblich. Schließt der Rechtsanwalt (leichtsinnig) keine Gebührenvereinbarung, die mehr Gebühren als eine bloße Beratungsgebühr hergibt, verkauft er ggf. viel Beratungsaufwand für marginales Honorar. Diese Entscheidung sollte die im Erbrecht beratenden Rechtsanwälte also disziplinieren.
Im Gegenzug können sich beratene Mandanten für eine Testamentserstellung, insbesondere, wenn das Testament nur wenige Sätze umfasst, gegen überzogene Rechtsanwaltsgebühren wehren, wenn Rechtsanwälte aufgrund von hohen Nachlasswerten hohe nominelle Honorarforderungen stellen.
BGH, Urt. v. 22.02.2018 – IX ZR 115/17
Quelle: Rechtsanwalt und FA für Erbrecht Miles B. Bäßler