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Beweiswürdigung im Kündigungsschutzprozess

Das Berufungsgericht ist an die Tatsachenfeststellung des erstinstanzlichen Gerichts gebunden, wenn keine konkreten Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Das hat das LAG Köln in einem Kündigungsschutzprozess entschieden. Das Gericht bestätigte die Kündigung einer Führungskraft nach Einsatz von Arbeitnehmern für private Zwecke.

Sachverhalt

Die Ehefrau eines Objektleiters eines Facility Management-Unternehmens mit ca. 2.500 Arbeitnehmern hatte im Jahr 2014 eine Doppelhaushälfte erworben. Dem Objektleiter wird vorgeworfen, am 24. und 25.11. sowie am 17.12.2014 nachgeordnete Mitarbeiter zur Durchführung von Renovierungsarbeiten in dieser Doppelhaushälfte angewiesen zu haben. Nach einem Gespräch mit einem betroffenen Arbeitnehmer am 18.12.2014 erfuhr der Geschäftsführer von dem Sachverhalt.

Am 22.12.2014 hörte das Unternehmen den Betriebsrat zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung an. Der Betriebsrat stimmte mit Beschluss vom 23.12.2014 gegen 11:30 Uhr der fristlosen Kündigung zu. Der Betriebsratsvorsitzende informierte hierüber das Unternehmen telefonisch. Am 23.12.2014 um 11:58 Uhr stellte der Arbeitgeber dem Objektleiter ein Kündigungsschreiben zu, das auf den 22.12.2014 datiert war. Der Objektleiter hat vor dem ArbG Kündigungsschutzklage erhoben.

Das ArbG hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen M. und H. und die Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 22.10.2015 (7 Ca 22/15) daraufhin abgewiesen. Der Arbeitnehmer hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Er stützt seine Berufung auch auf die Beweiswürdigung durch das ArbG – insbesondere auf dessen Wertung der Zeugenaussage des Zeugen M. als „in sich geschlossen und widerspruchsfrei“.

Der Zeuge M. habe sich während des Beweisaufnahmetermins nämlich mehrfach korrigieren müssen und teilweise auch etwas anderes ausgesagt als das, was er in seiner schriftlichen Anhörung vom 18.12.2014 bekundet hatte. Überdies stehe die Aussage des Zeugen M. teilweise in Widerspruch zu den zutreffenden Aussagen des Zeugen H. Das LAG Köln hat die Berufung mit Urteil vom 26.11.2016 (4 Sa 1182/15) zurückgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Die fristlose Kündigung ist rechtswirksam. Es stellt grundsätzlich einen an sich zur außerordentlichen Kündigung berechtigenden Grund dar, wenn ein Vorgesetzter während der Arbeitszeit ihm unterstellte Mitarbeiter ohne Erlaubnis des Arbeitgebers für sich privat arbeiten lässt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Zeuge M. tatsächlich an zwei Tagen im November und Dezember 2014 während seiner Arbeitszeit im Privathaus der Ehefrau des Klägers Arbeiten verrichtet hat. Das ArbG ist nach Durchführung einer Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger den Mitarbeiter M. zu diesen Arbeiten angewiesen hat.

Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Ein beachtlicher Verfahrensfehler liegt u.a. vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind.

Die Angriffe des Klägers gegen diese Beweiswürdigung des ArbG bieten keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Arbeitsgerichts begründen. Die Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage kann fortbestehen, sofern Abweichungen in den Bekundungen eines Zeugen im zeitlichen Verlauf auftreten, die nicht das Kerngeschehen betreffen, sondern Randbereiche. Gleiches gilt bei Abweichungen der Aussagen von Zeugen, die nicht beweisbedürftige Details betreffen.

Die Interessenabwägung kann nicht zugunsten des Klägers ausfallen. Insbesondere sind keine vorrangigen milderen Mittel ersichtlich, die eine außerordentliche Kündigung unnötig erscheinen lassen. Einer Abmahnung bedurfte es angesichts der Schwere des Fehlverhaltens nicht.

Die Beklagte hat die Kündigung auch innerhalb der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB erklärt. Sie stützt die außerordentliche Kündigung u.a. auf ein Verhalten vom 17.12.2014. Die Kündigung ist am 23.12.2014 zugegangen.

Die Kündigung ist nicht unwirksam nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG. Die Beklagte hat dargelegt, dass die Anhörung des Betriebsrats ordnungsgemäß erfolgt ist. Dann ist die fortgesetzte pauschale Rüge der Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung durch den Kläger unerheblich.

Folgerungen aus der Entscheidung

Wenn ein Arbeitsgericht es will, dann ist auch eine außerordentliche fristlose Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen wirksam. Das LAG Köln stellt schlicht fest, dass das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers überwiegt und es einer Abmahnung nicht bedurfte. Den Wertungen kann man uneingeschränkt folgen, die Entscheidung lässt sich aber unter keinem Gesichtspunkt verallgemeinern.

Praxishinweis

Die Entscheidung ist hinsichtlich der Frage der Beweiswürdigung von Zeugenaussagen lesenswert, nach der Parteivernehmung wohl dem unsichersten Beweismittel schlechthin. Sie vermittelt Argumentationshilfen für den Fall abweichender Zeugenaussagen sowohl eines Zeugen im zeitlichen Verlauf als auch unterschiedlicher Zeugen. Das Gericht hält eine Kontinuität hinsichtlich des konkreten Beweisthemas für die Glaubwürdigkeit einer Zeugenaussage für ausreichend.

LAG Köln, Urt. v. 25.11.2016 - 4 Sa 1182/15

Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Dr. Martin Kolmhuber