Solange eine Änderung der Arbeitsbedingungen durch Ausübung des Direktionsrechts möglich ist, ist eine Änderungskündigung nicht verhältnismäßig. Wenn der Arbeitnehmer das Änderungsangebot nicht annimmt, dann ist eine Kündigungsschutzklage begründet. Wer Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, kann sich nicht auf deren Unwirksamkeit berufen. Das hat das BAG entschieden.
Sachverhalt
Eine Sachbearbeiterin ist seit 2000 am Standort A ihres Arbeitgebers beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist ein schriftlicher Anstellungsvertrag, der auszugsweise lautet:
„I. Besondere Vereinbarungen (…)
3. Derzeitiger Dienstsitz: s.o. (...)
II. Allgemeine Vereinbarungen
1. Beschäftigungsort, Versetzungsvorbehalt
1.1. Tätigkeitsort sind die jeweiligen Geschäftsräume [der Arbeitgeberin].
1.2. [Die Arbeitgeberin] behält sich vor, dem Mitarbeiter bei unveränderten Bezügen im Rahmen des Unternehmens auch eine andere seiner Vorbildung und seinen Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit, eventuell auch nur vertretungsweise, an einem anderen Arbeitsplatz zu übertragen.“
Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Anstellungsvertrags existierte als einziger Standort die Betriebsstätte am Standort A. Im Jahre 2013 beabsichtigte der Arbeitgeber, die Anzahl seiner mittlerweile sechs Betriebsstätten auf zwei zu reduzieren. Sämtliche Aufgaben sollten an den Standorten C und E fortgeführt werden. Die Arbeitgeberin schloss einen Interessenausgleich und einen Sozialplan. Anschließend versetzte sie die Sachbearbeiterin mit Schreiben vom 23.12.2013 in Ausübung ihres Direktionsrechts zum 01.02.2014 an den Standort C.
Mit einem weiteren Schreiben vom selben Tag erklärte der Arbeitgeber „höchst vorsorglich“ die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zum 31.07.2014 – verbunden mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist am Standort C fortzusetzen.
Die Sachbearbeiterin nahm das Änderungsangebot nicht an. Sie erklärte auch keine Vorbehaltsannahme. Die Versetzung kraft Direktionsrechts nahm der Arbeitgeber später zurück. Die Sachbearbeiterin hat Kündigungsschutzklage erhoben mit dem Antrag festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Änderungskündigung vom 23.12.2013 nicht aufgelöst worden sei. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Arbeitgeber den Klageabweisungsantrag weiter.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Die Kündigungsschutzklage ist begründet. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zum Zwecke der Änderung des Beschäftigungsorts der Sachbearbeiterin war unverhältnismäßig und ist deshalb sozial ungerechtfertigt i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG.
Eine Änderungskündigung ist wegen der mit ihr verbundenen Bestandsgefährdung unverhältnismäßig, wenn die erstrebte Änderung der Beschäftigungsbedingungen durch Ausübung des Weisungsrechts des Arbeitsgebers gem. § 106 GewO möglich ist. In einem solchen Fall „bedingt“ der mögliche Wegfall des Beschäftigungsbedarfs zu den bisherigen Bedingungen eine (Änderungs-)Kündigung nicht i.S.v. § 2 S. 1, § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG.
Die mit der Änderungskündigung angestrebte Änderung des Beschäftigungsorts konnte der Arbeitgeber durch die Ausübung ihres Direktionsrechts vornehmen. Nach § 106 S. 1 GewO darf der Arbeitgeber u.a. den Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit dieser nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt ist. Der Inhalt der einzelvertraglichen Regelungen ist durch Auslegung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln.
Die Auslegung der vertraglichen Regelungen hat zum Ergebnis, dass diese keine Festlegung enthalten, die das Direktionsrecht des Arbeitgebers einschränkt. Auf Reichweite und Wirksamkeit der im Arbeitsvertrag vereinbarten „Versetzungsklausel" kommt es deshalb nicht an.
Der Arbeitgeber als Verwender kann sich im Verhältnis zum Arbeitnehmer nicht auf die Unwirksamkeit der Versetzungsklausel wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB berufen. Die Inhaltskontrolle schafft lediglich einen Ausgleich für die einseitige Inanspruchnahme der Vertragsfreiheit durch den Klauselverwender, sie dient aber nicht dem Schutz vor den von ihm selbst eingeführten Formularbestimmungen.
Nimmt der Arbeitnehmer das mit der Kündigung verbundene Änderungsangebot in einem solchen Fall nicht unter Vorbehalt an, ist auf seinen Antrag nach § 4 S. 1 KSchG festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist.
Folgerungen aus der Entscheidung
Das BAG nimmt die Gelegenheit wahr, seine Rechtsprechung hinsichtlich zweier Grundsätze zu festigen. Solange eine Änderung der Arbeitsbedingungen durch Ausübung des Direktionsrechts möglich ist, ist eine Änderungskündigung nicht verhältnismäßig. Nimmt der Arbeitnehmer das darin enthaltene Angebot nicht an – auch nicht unter Vorbehalt – , ist eine Kündigungsschutzklage begründet. Außerdem kann sich der Arbeitgeber als Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht selbst auf deren Unwirksamkeit berufen. Im Übrigen führte die Unwirksamkeit arbeitsvertraglicher Versetzungsklauseln lediglich dazu, dass es bei der gesetzlichen Regelung des § 106 S. 1 GewO bliebe.
Praxishinweis
Das BAG hat mit den Umständen des entschiedenen Einzelfalls (und mehrerer gleich gelagerter Parallelverfahren) Glück gehabt. Es konnte die Frage dahinstehen lassen, wie es materiell und prozessual zu bewerten ist, wenn der Arbeitnehmer ein entsprechendes Änderungsangebot unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG annimmt und Änderungsschutzklage nach § 4 S. 2 KSchG erhebt. Auf diese Frage kam es in diesem Streitfall nicht an.
BAG, Urt. v. 22.09.2016 - 2 AZR 509/15
Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Dr. Martin Kolmhuber