Vorbemerkung: Die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrecht vom 04.05.2021 soll helfen, den (natürlichen) Willen der unter Betreuung stehenden Person zu verwirklichen. Dem soll bereits bei der Anordnung der Betreuung Rechnung getragen werden. Obwohl die Novelle erst am 01.01.2023 in Kraft tritt, entsprechen neuere Entscheidungen schon dieser Tendenz, wie unter anderem im folgenden Beitrag dargestellt.
Oberster Maßstab für das Handeln des Betreuers ist das Wohl des Betreuten (§ 1901 Abs. 2 Satz 1 BGB). Hierbei ist er nach § 1901 Abs. 3 BGB an die Wünsche des Betroffenen gebunden, die grundsätzlich Vorrang gegenüber seinen objektiven Interessen haben. Unerheblich ist hierbei, ob diese Wünsche auf rationaler Grundlage zustande gekommen und wirtschaftlich vernünftig sind, ob der Betreute geschäftsunfähig oder geschäftsfähig ist und wie der Betreuer über diese Wünsche denkt.[1] Die Feststellung der Wünsche des Betroffenen durch den Betreuer steht künftig bei seinen Pflichten an erster Stelle (§ 1821 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F.). Diesen Wünschen hat der Betreuer grundsätzlich zu entsprechen (vgl. § 1821 Abs. 2 Satz 3 BGB n.F.).
In nicht seltenen Fällen geraten diese Wünsche in Konflikt mit den Interessen des Betreuers. Beispiel ist der Wunsch eines Elternteils, keinesfalls in einem Heim untergebracht zu werden und das vorhandene Vermögen zur Vermeidung einer Heimunterbringung einzusetzen. Dieser Wunsch steht im Gegensatz zu den Erbinteressen eines als Betreuer eingesetzten Kindes. Als Betreuer hat es dennoch den Wunsch des unter Betreuung stehenden Elternteils umzusetzen. Die Betreuung hat nämlich nicht den Zweck, das Vermögen des Betroffenen zugunsten eines gesetzlichen oder gewillkürten Erben zu erhalten oder zu vermehren.[2]
Der Betreuer darf allerdings keine Schenkungen vornehmen; ihm sind lediglich Gelegenheitsgeschenke erlaubt, wenn diese dem Wunsch des Betroffenen entsprechen und nach seinen Lebensverhältnissen üblich sind (§§ 1804, 1908i Abs. 2 Satz 1 BGB). Auch dies ist ihm allerdings ab 01.01.2023 mit Zustimmung des Betreuungsgericht gestattet; keiner Genehmigung bedürfen dann Schenkungen, die nach den Lebensverhältnissen des Betreuten angemessen oder als Gelegenheitsgeschenke üblich sind (§ 1854 Nr. 8 BGB n.F.).
Die (antizipierte) Weisung des Betroffenen, dass er im Fall einer Pflegebedürftigkeit nicht in einem Heim untergebracht werden möchte, sondern er, solange dies medizinisch möglich ist, unter Einstellung einer Pflegeperson zu Hause betreut werden soll, auch wenn dies nur unter Aufzehrung seines gesamten Vermögens möglich ist, ist vom Betreuer bereits nach geltender Rechtslage zu beachten. Ein derartiger Wunsch kann nach Inkrafttreten des neuen Rechts in Konflikt mit einer ebenfalls gewünschten Überlassung wesentlicher Vermögensgegenstände (z.B. Familienheim) kommen. Insofern kommt es darauf an, welcher Wunsch des Betreuten im Vordergrund steht.
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[1] Loer, in: Jürgens, Betreuungsrecht, 6. Aufl. 2019, § 1901 BGB Rdnr. 11.
[2] BGH, Beschl. v. 19.05.2021 – XII ZB 518/20, FamRZ 2021, 1654.