Übliche Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sind Erschwerniszulagen und damit unpfändbar. Bei Zulagen für Schicht-, Samstags- oder sog. Vorfestarbeit ist dagegen eine Pfändung grundsätzlich möglich. Das hat das BAG entschieden. Arbeitgeber müssen bei einer Lohnpfändung einiges beachten, um nicht ungewollt in die Zwangsvollstreckung oder Abtretung involviert zu werden.
Sachverhalt
Es ging um eine Hauspflegerin, die auf einer Sozialstation ihrer Arbeitgeberin tätig war. Auf das Arbeitsverhältnis fand ein Tarifvertrag Anwendung, der zahlreiche Zuschläge vorsah. Die Hauspflegerin hatte eine Privatinsolvenz beantragt und befand sich zum Zeitpunkt des Rechtsstreits in der sogenannten Wohlverhaltensphase. In dieser Zeit musste sie ihre pfändbare Vergütung an einen Treuhänder abtreten, der das Geld dann unter den Gläubigern verteilte.
Die Arbeitgeberin der Hauspflegerin führte den von der jeweiligen Nettovergütung der Arbeitnehmerin sich ergebenden pfändbaren Teil der Vergütung an den Treuhänder ab. Dabei stufte sie auch die an ihre Arbeitnehmerin gezahlten tarifvertraglichen Zuschläge für Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht- und Samstagsarbeit als pfändbar ein.
Das sah die Arbeitnehmerin anders. Sie meinte, die Zuschläge seien unpfändbare Erschwerniszulagen nach § 850a Nr. 3 ZPO. Deshalb habe die Arbeitgeberin insgesamt 1.144,91 € zu viel an den Treuhänder abgeführt und klagte die Zahlung des Geldes von ihrer Arbeitgeberin ein.
Der § 850a Nr. 3 ZPO lautet: „Unpfändbar sind … 3. Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und sonstige soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigungen, das Entgelt für selbstgestelltes Arbeitsmaterial, Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen, soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen…“
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Das BAG stellte sich größtenteils hinter die Arbeitnehmerin. Es differenzierte jedoch bei den einzelnen Zahlungen. Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sind Erschwerniszulagen i.S.v. § 850a Nr. 3 ZPO. Damit sind sie im Rahmen des Üblichen unpfändbar. Zulagen für Schicht-, Samstagsarbeit sind dagegen der Pfändung nicht entzogen.
Der Gesetzgeber hat in § 6 Abs. 5 ArbZG die Ausgleichspflichtigkeit von Nachtarbeit geregelt, die von ihm als besonders erschwerend bewertet wurde. Sonntage und gesetzliche Feiertage stehen kraft der Verfassung unter einem besonderen Schutz. Das kommt insbesondere in Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV zum Ausdruck. Der § 9 Abs. 1 ArbZG ordnet an Sonn- und Feiertagen ein grundsätzliches Beschäftigungsverbot an. Damit geht der Gesetzgeber auch hier von einer Erschwernis aus, wenn an diesen Tagen dennoch gearbeitet wird.
Eine entsprechende gesetzgeberische Wertung gibt es für Schicht- und Samstagsarbeit jedoch nicht. Außerdem war zu berücksichtigen, dass die Sonderregelung des § 850a ZPO zwar dem Schuldnerschutz dient und diesem einen größeren Teil seines Nettoeinkommens als unpfändbar belassen will. Angesichts der ebenso in den Blick zu nehmenden Gläubigerinteressen bedarf die Unpfändbarkeit von Erschwerniszulagen aber einer sachlichen Begrenzung.
Weiterhin hatte die Arbeitnehmerin den Ersatz eines „Vorfestzuschlags“ geltend gemacht, den der Arbeitgeber auch an den Treuhänder abgeführt hatte. Auch ein solcher Zuschlag wäre pfändbar. Offensichtlich hat das vorinstanzliche LG Berlin-Brandenburg hier einen Fehler gemacht. Interessanterweise heißt es in dem vorinstanzlichen Urteil: „Die Kammer weist allerdings darauf hin, dass sie bei der Entscheidungsfindung den für den Monat Februar berechneten von der Klägerin geltend gemachten ‚Vorfestzuschlag‘ versehentlich mitberücksichtigt hat. Dafür ist weder eine tarifliche Grundlage noch eine besondere Erschwernis im Sinne des § 850a Nr. 3 ZPO erkennbar.“
Das BAG hob die Entscheidung auf, da zur genauen Höhe der zu Unrecht an den Treuhänder abgeführten Vergütung eine weitere Sachaufklärung erforderlich ist.
Aber es gab noch einen Hinweis zu der Frage, in welchem Umfang und in welcher Höhe Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit als „üblich“ und damit als unpfändbar anzusehen sind. Das BAG ist nämlich der Auffassung, dass hier die Regelungen in § 3b EStG entsprechend zur Anwendung kommen sollten. Und dort findet sich folgende Regelung: Steuerfrei sind Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, soweit sie
- für Nachtarbeit 25 %,
- für Sonntagsarbeit 50 %,
- für Arbeit am 31.12. ab 14 Uhr und an den gesetzlichen Feiertagen 125 %,
- für Arbeit am 24.12. ab 14 Uhr, am 25. und 26.12. sowie am 01.05. 150 %
des Grundlohns nicht übersteigen. Das werden nun die Vorinstanzen zu berücksichtigen haben.
Folgerungen aus der Entscheidung
Der Fall zeigt sehr deutlich, was passiert, wenn Arbeitgeber bei einer Lohnpfändung nicht korrekt handeln: Sie zahlen nämlich doppelt und zwar zum einen an den Treuhänder bzw. Gläubiger und zum anderen im Zweifel nochmals an ihren Arbeitnehmer. Dabei ist die Ausgangssituation des Arbeitgebers nicht gerade beneidenswert, denn er wird vollkommen unverschuldet in die Zwangsvollstreckung oder die Abtretung involviert.
Praxishinweis
Kommt es zu einer gerichtlichen Zwangsvollstreckung hat der Arbeitgeber ein vorläufiges Zahlungsverbot und muss den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss prüfen. Zudem muss er den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens des Arbeitnehmers errechnen und zwar
- unter Beachtung des Pfändungsschutzes sowie
- unter der Beachtung der Abgabe der richtigen Erklärungen und sodann
- den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens an den jeweils richtigen Gläubiger zahlen, bis dessen Vollstreckungsforderung vollständig gedeckt ist.
BAG, Urt. v. 23.08.2017 - 10 AZR 859/16
Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Arno Schrader