Verkehrsrecht -

Schadensersatz bei Kauf nach Bekanntwerden des Abgasskandals?

Die Volkswagen AG haftet beim vom Abgasskandal betroffenen Motors EA 189 auch bei „spätem“ Kauf aus sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung. Das hat das OLG Koblenz in Fällen entschieden, in denen Fahrzeuge erst nach Bekanntwerden der Manipulationsvorwürfe gekauft worden waren. Das Gericht verwies u.a. darauf, dass VW die Gefahr der Fahrzeugstilllegung nicht offengelegt hätte.

Darum geht es

Den Entscheidungen liegt jeweils der Fall zugrunde, dass der Kläger ein vom sogenannten Abgasskandal betroffenes Fahrzeuge deutlich nach Bekanntwerden des Manipulationsvorwurfs gekauft hatte.

Einmal erfolgte der Kauf eines gebrauchten VW Touran am 17.02.2016 (Urt. v. 13.03.2020 - 8 U 1351/19). Das andere Mal erwarb der Kläger am 17.10.2017 einen gebrauchten VW Passat (Urt. v. 03.04.2020 - 8 U 1956/19). Die Käufer hatten sich jeweils darauf berufen, von der Beklagten über die Beschaffenheit des Fahrzeugs getäuscht worden zu sein.

Die Mitteilung der Beklagten vom 22.09.2015 wird wie folgt wiedergegeben:

„Volkswagen treibt die Aufklärung von Unregelmäßigkeiten einer verwendeten Software bei Diesel-Motoren mit Hochdruck voran (...). Auffällig sind Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA189 mit einem Gesamtvolumen von weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen.

Ausschließlich bei diesem Motortyp wurde eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt. Volkswagen arbeitet mit Hochdruck daran, diese Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen. Das Unternehmen steht dazu derzeit in Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem Deutschen Kraftfahrtbundesamt.“

Auf der Website der Beklagten war im Oktober 2015 folgender Hinweis abrufbar:

„ … wir müssen Sie leider informieren, dass der in Ihrem Fahrzeug mit der Fahrzeug-Identifikationsnummer (FIN) ... eingebaute Dieselmotor vom Typ EA 189 von einer Software betroffen ist, die Stickoxidwerte (NOx) im Prüfstand (NEFZ) optimiert. Wir versichern Ihnen jedoch, dass Ihr Fahrzeug technisch sicher und fahrbereit ist.

Wir bedauern zutiefst, dass wir Ihr Vertrauen enttäuscht haben und arbeiten mit Hochdruck an einer technischen Lösung. Volkswagen wird schnellstmöglich auf Sie zukommen, um Sie über die notwendigen Maßnahmen zu informieren. Sollten Sie keinen Volkswagen-Kontakt haben, nutzen Sie bitte unsere Kontaktfunktion auf dieser Website.“

Wesentliche Entscheidungsgründe

Nach Auffassung des 8. Zivilsenats des OLG Koblenz haftet die Beklagte auch für diese „späten“ Käufe aus sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung.

Das objektiv sittenwidrige Verhalten der Beklagten habe zum Zeitpunkt des jeweiligen Kaufs weiterhin angedauert, weil diese die Öffentlichkeit im Zusammenhang mit dem Manipulationsvorwurf nicht hinreichend informiert habe.

Die Beklagte vertrete bis heute die Auffassung, gar keine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut zu haben. Auch habe sie nicht offengelegt und eingeräumt, dass durch die Verwendung der Abschaltsoftware die Stilllegung der betroffenen Fahrzeuge drohe. Bis heute bagatellisiere die Beklagte auch den Schaden für die Umwelt.

OLG Koblenz, Urt. v. 13.03.2020 - 8 U 1351/19 und Urt. v. 03.04.2020 - 8 U 1956/19

Hinweis

Andere Senate des OLG Koblenz haben im Fall derartiger „später“ Käufe einen Schadensersatzanspruch verneint (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 06.02.2020 - 6 U 1219/19; Urt. v. 25.10.2019 - 3 U 948/19; Urt. v. 29.08.2019 - 1 U 241/19).

Quelle: OLG Koblenz, Pressemitteilung v. 30.04.2020