Die verspätete Abgabeeines Antragsformulars für Arbeitslosengeld II führt nicht zur Verwirkung.
BSG, Urt. v. 28.10.2009 -B 14 AS 56/08 R
Darum geht es:
Der Kläger sprach am 09.06.2005 bei der Beklagten wegen der Beantragung von Leistungen nach dem SGB II vor. Ihm wurde dabei ein Antragsformular ausgehändigt, auf das im Feld "Tag der Antragstellung" der Stempel "09.06.2005" aufgebracht wurde. Persönliche Daten des Klägers wurden an diesem Tag durch die Beklagte nicht erfasst. Am 03.01.2006 legte der Kläger sodann das nunmehr ausgefüllte Antragsformular vom 09.06.2005 bei der Beklagten vor. Er gab an, seinen Lebensunterhalt durch das Arbeitslosengeld nach dem SGB III, Erspartes und Darlehen seiner Eltern bestritten zu haben. Der beklagte Grundsicherungsträger gewährte ab 03.012006 Arbeitslosengeld II.
Das Begehren des Klägers, die Leistungen bereits ab 09.06.2005 zu erbringen, wurde von dem Beklagten abschlägig beschieden.
Das Sozialgericht hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben, das Landessozialgericht hat den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger habe zwar am 09.06.2005 wirksam einen Antrag gestellt; die mit dem Antrag geltend gemachten Leistungsansprüche seien aber für die Zeit bis vor dem 03.01.2006 durch Verwirkung erloschen. Der Kläger habe nach seiner Antragstellung nichts mehr getan, um seine Ansprüche weiter zu verfolgen. Insbesondere habe er das ausgefüllte Antragsformular erst fast sieben Monate nach der Antragstellung vorgelegt.
Das Bundessozialgericht hat der Revision des Klägers im Verfahrenstattgegeben und den der Klage stattgebenden Gerichtsbescheid des Sozialgerichts wiederhergestellt.
Wesentliche Entscheidungsgründe:
Dem Kläger steht für den Zeitraum ab dem 09.06.2005 ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu. Er hat am 09.06.2005 (gemäß § 37 SGB II) wirksam einen Antrag auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestellt. Das Landessozialgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Anspruch des Klägers für den Zeitraum bis zur Vorlage des ausgefüllten Antragsformulars entsprechend § 242 BGB verwirkt sei, weil der Kläger nach der Antragstellung seine Ansprüche nicht weiter verfolgt habe.
Verpflichtung des Grundsicherungsträgers
Gemäß § 16 Abs. 3 SGB I muss der Grundsicherungsträger darauf hinwirken, dass der Antragsteller unverzüglich klare und sachdienliche Anträge stellt und unvollständige Angaben ergänzt. Für den antragstellenden Bürger besteht im Verwaltungsverfahren die Verpflichtung mitzuwirken. So kann nach § 60 SGB I von dem Antragsteller verlangt werden, bestimmte Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.
§ 66 SGB I sieht bei fehlender oder nicht rechtzeitiger Mitwirkung die Sanktion der Leistungsversagung vor, wenn die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Der beklagte Grundsicherungsträger hätte sich dieser Instrumente des sozialrechtlichen Verwaltungsverfahrens bedienen müssen, die hier einen Rückgriff auf das Rechtsinstitut der Verwirkung ausschließen.
Quelle: BSG - Pressemitteilung vom 28.10.09