Sozialrecht -

Sozialversicherungspflicht von Angehörigen in einem Familienunternehmen

Eine im Familienunternehmen angestellte Ehefrau mit nur 10%-iger Kapitalbeteiligung an der GmbH muss Sozialversicherungsbeiträge zahlen.

Mit Urteil vom 15.08.2008 hat der 4. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg entschieden, dass Arbeitsverträge nicht danach unterschiedlich ausgelegt werden können, ob sie den Betroffenen individuell jeweils steuerlich oder sozialrechtlich nützlich bzw. günstig sind.

In jüngster Zeit wird des Öfteren von Familienunternehmen geltend gemacht, ein Angehöriger unterliege nicht der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung. Hintergrund dafür ist, dass eine zu geringe Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung befürchtet wird. Man erhofft sich nach Beitragsrückerstattungen und einer gewinnbringenden privaten Anlage dieser Gelder eine höhere private Alterssicherung.

Im vorliegenden Fall wurde die Klägerin, eine GmbH, von den Eheleuten bereits 1978 gegründet. Seither war die Ehefrau, die mit 10 v.H. an der GmbH beteiligt ist, als kaufmännische Leiterin der GmbH beschäftigt und zur Sozialversicherung angemeldet. Es wurde Lohnsteuer entrichtet, die auch als Betriebsausgabe verbucht wurde. Im Jahre 1996 wurde aus steuerrechtlichen Gründen zusätzlich ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen. Ihr Ehemann, der zu 90 v.H. an der GmbH beteiligt ist, ist Geschäftsführer der GmbH. Fast 30 Jahre später (im Jahre 2004) beantragte die GmbH die Feststellung, dass die Ehefrau seit 1976 selbstständig tätig sei und deshalb nicht der Versicherungspflicht unterliege. Sie (die Ehefrau) habe u. a. ein erhebliches unternehmerisches Risiko getragen, da sie z. B. Bürgschaften für die Klägerin übernommen habe. Die beklagte Krankenkasse bestand auf der Versicherungspflicht. Das Sozialgericht wies die Klage ab.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts hatte keinen Erfolg. Maßgebend bei der Abgrenzung von selbstständiger Tätigkeit zur Unternehmereigenschaft sind – auch bei Familienunternehmen – die Umstände des Einzelfalls. Der Senat kam hier zu dem Ergebnis, dass die Ehefrau seit 1978 abhängig beschäftigt ist und deshalb der Versicherungspflicht in den jeweiligen Zweigen der Sozialversicherung (Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung) unterliegt. Bei einem derart niedrigen Kapitalanteil (10 v.H.) sei im Regelfall ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis anzunehmen. Die Ehefrau habe Weisungen des Geschäftsführers bzw. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung aufgrund ihres geringen Kapitalanteils nicht verhindern können.

Soweit sich die Klägerin darauf berufen hat, der Arbeitsvertrag sei allein aus steuerrechtlichen Gründen geschlossen und "nicht gelebt" worden, weil sie z. B. – entgegen dem Arbeitsvertrag – viel zu Hause gearbeitet habe, könnten die Wirkungen des Arbeitsvertrags nicht so ausgelegt werden, ob sie dem Betroffenen jeweils günstig sind (Individualnützlichkeit) oder nicht. Nach den Regelungen des Arbeitsvertrags hatte die Ehefrau keine Möglichkeit, ihre Tätigkeit unmittelbar selbst zu gestalten, sondern sie war wie eine Arbeitnehmerin in den Betrieb eingebunden. Aus der familiären Verbundenheit der Eheleute folge nichts anderes, denn diese hätten in der Regel ein gesteigertes beiderseitiges Interesse am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens.

Quelle: LSG Baden-Württemberg - Pressemitteilung vom 03.09.08