LSG NRW, Urt. v. 28.10. 2009 ─ L 10 SB 45/08
Auch langjährig geduldete Ausländer haben Anspruch auf Anerkennung als Schwerbehinderte, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen dafür erfüllen. Das hat das LSG Nordrhein-Westfalen in einem jetzt veröffentlichten Urteil zugunsten einer 32jährigen Chinesin entschieden, die seit 2004 in Deutschland lebt und ausländerrechtlich nur geduldet wird.
Darum geht es
Die Klägerin, eine 32 jährige Chinesin, lebte seit 2004 in Deutschland und wird ausländerrechtlich nur geduldet.
Der Frau war nach einer Quetschung die linke Hand amputiert worden, nach ihren Angaben als Folge körperlicher Gewalt während eines Gefängnisaufenthalts in China im Jahr 2003. Ihr Asylverfahren in Deutschland blieb erfolglos.
Die zuständige Behörde (Versorgungsverwaltung) hatte wegen der Duldung ihren Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderte nach der bestehenden Weisungslage abgelehnt.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Ebenso wie vor ihm das Sozialgericht ließ das Landessozialgericht dieses Argument nicht gelten.
Die Klägerin habe, wie vom 9. Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) verlangt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, da hier der Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen liege. Maßgeblich sei, dass die Klägerin schon seit über fünf Jahren und auf unabsehbare Zeit in Deutschland lebe. Es liege sogar nahe, dass der Schutz des Schwerbehindertenrechts schon nach einer Aufenthaltsdauer von drei Jahren greife. Die Klägerin halte sich in Deutschland auf unabsehbare Zeit auf, denn ihre Rückführung nach China scheitere schon seit Jahren an fehlenden Reisedokumenten. Das Schwerbehindertenrecht lasse es nicht zu, auf unabsehbare Zeit in Deutschland lebende ausländische Behinderte allein wegen ihrer Staatsangehörigkeit und ihres Aufenthaltsstatus auf Dauer von Hilfen zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft auszuschließen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, weil der Senat wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen hat.
Anmerkung
Geduldete Ausländer verfügen nicht über einen Aufenthaltstitel, der sie zum Aufenthalt in Deutschland berechtigt. Daher sind sie zur Ausreise verpflichtet. Die Duldung beseitigt ihre Ausreisepflicht nicht, sondern setzt nur den Vollzug in Gestalt der Abschiebung aus. Als vorübergehender Vollstreckungsaufschub überbrückt die Duldung so den Zeitraum bis zur Abschiebung oder zur Erteilung eines Aufenthaltstitels. Wichtigste unmittelbare Rechtsfolge der Duldung: Der Aufenthalt des begünstigten Ausländers ist nicht strafbar.
Quelle: LSG NRW - Pressemitteilung vom 25.01.10