Das VG Aachen hat zur Erhöhung des Erziehungsanteils im Pflegegeld um 25% bei der Betreuung eines durch einen Brand schwer verletzten Kindes entschieden.
Die Besonderheiten ergaben sich nach der Einschätzung des Gerichts im vorliegenden Fallaus den schweren Brandverletzungen, deren Folgen mindestens denselben Betreuungsmehraufwand erforderten wie eine sonstige schwere körperliche Behinderung.
Sachverhalt:
Die Klägerin ist die allein personensorgeberechtigte Mutter eines 2003 geborenen Sohnes. Da sie und auch der Vater mit der Erziehung des Kindes überfordert waren, lebte es seit Jahresbeginn 2006 überwiegend in Euskirchen im Haus seiner Großeltern, den Eltern des Kindesvaters. Am 22. März 2006 hielt sich das Kind bei seinem Vater in Mechernich auf. In dessen Wohnung brach an diesem Tag ein Brand aus, und nur das beherzte Eingreifen eines Nachbarn rettete dem Kind bei schwersten Brandverletzungen und einer Rauchvergiftung das Leben. Es folgte ein längerer Aufenthalt in der Kinderklinik Köln. In dieser Zeit zeichneten sich die Großeltern durch regelmäßige Besuche und dessen intensive Betreuung – auch über Nacht - aus. Die medizinische Versorgung stellte höchste Ansprüche. Die Klägerin und der Kindesvater nahmen – im Vergleich zu den Großeltern - in deutlich geringerem Umfang Besuchstermine wahr. Im Juni 2006 wurde das Kind in eine Reha-Klinik verlegt. Die Großmutter ließ sich als Begleitperson ihres Enkels aufnehmen. Seit August 2006 lebt er (wieder) ganz bei seinen Großeltern. In der Folge waren immer wieder stationäre Krankenhausaufenthalte erforderlich, bei denen das Kind von ihnen betreut wurde. Die Großeltern erhalten seit Mai 2006 von der Pflegekasse Pflegegeld der Stufe 2 und ab Juli 2006 das Kindergeld.
Der beklagte Landrat des Kreises Euskirchen bewilligte Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege einschließlich eines monatlichen Pflegegeldes. Das Pflegegeld setzt sich aus zwei Komponenten zusammen. Zum einen stellt es den Lebensunterhalt des Kindes sicher. Zum andern enthält es einen Anerkennungsbetrag für die Erziehungsleistung der Pflegeeltern. Eine Erhöhung des Erziehungsanteils in den Pauschalbeträgen bei Vollzeitpflege um 25% lehnte er ab. Die Klägerin hielt dem entgegen, dass die jährlich festgesetzten Pauschalbeträge bei Vollzeitpflege solche Kinder beträfen, deren Entwicklung „normal“ verlaufe. Dies sei bei ihrem Sohn wegen der Schwere seiner Verletzungen, der dadurch bedingten Reha-Maßnahmen und anderer zusätzlicher Aufwendungen nicht der Fall.
Entscheidung:
Das VG Aachenhat der KlägerinRecht gegeben. Sie habe einen Anspruch auf eine Erhöhung des Erziehungsanteils im Pflegegeld um 25%. Nach dem Kinder- und Jugendhilferecht sollen die laufenden Leistungen zum Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen in einem monatlichen Pauschalbetrag gewährt werden, soweit nicht nach der Besonderheit des Einzelfalles abweichende Leistungen geboten sind. Die Besonderheiten ergeben sich nach der Einschätzung des Gerichts hier aus den schweren Brandverletzungen, deren Folgen mindestens denselben Betreuungsmehraufwand erforderten wie eine sonstige schwere körperliche Behinderung. Mit diesem Erhöhungsbetrag solle den von den Großeltern vorgetragenen besonderen pädagogischen Anforderungen Rechnung getragen werden, die mit der Lebenssituation eines durch schwere Verbrennungen gekennzeichneten Kindes prägend verbunden sind. Dazu gehöre beispielsweise die besondere Unterstützung des Kindes, wenn es ablehnende Reaktionen und Zurückweisungen Gleichaltriger auf die optisch wahrnehmbaren Brandverletzungen erfahren müsse. Dies erfordere sowohl eine Stärkung des Selbstwertgefühls des Kindes durch intensive Zuwendung als auch die ständige Förderung seiner Fähigkeit, die Wahrnehmung der Brandverletzungen durch andere anzunehmen. Mit dieser Hilfe solle schließlich auch die große seelische Belastung der Pflegeeltern durch den permanenten Umgang mit einem schwerstbeschädigten Kind berücksichtigt werden.
Quelle: VG Aachen - Pressemitteilung vom 07.05.09