Während eines freiwilligen sozialen Jahres kann ein Unterhaltsanspruch gegenüber den Eltern bestehen, wenn das Freiwilligenjahr auch der Berufsfindung dient. Das hat das OLG Frankfurt entschieden. Bislang wird überwiegend ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt während solcher freiwilligen Dienste abgelehnt. Im Streitfall war das Kind zu Beginn des Dienstes noch minderjährig.
Sachverhalt
Während der Ehe der Beteiligten sind zwei Kinder geboren. Seit der Trennung der Eltern leben beide im Haushalt der Antragstellerin. Der Sohn hat mit siebzehneinhalb Jahren ein freiwilliges soziales Jahr beim Deutschen Roten Kreuz angetreten. Die antragstellende Mutter hat den Vater u.a. für diese Zeit auf Kindesunterhalt für den gemeinsamen Sohn in Anspruch genommen. Das AG hat den Vater zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet, wogegen er Beschwerde einlegt.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Das OLG hat die grundsätzliche Unterhaltspflicht des Vaters während des freiwilligen sozialen Jahres nach §§ 1601 ff. BGB bestätigt und lediglich die Höhe des Anspruchs zum Teil abgeändert.
Das Gericht sieht den Vater auch während des freiwilligen sozialen Jahres dem Grunde nach zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet, obwohl die wohl überwiegende Auffassung die Unterhaltsberechtigung eines Kindes gegenüber den Eltern während eines freiwilligen sozialen Jahres verneint, wenn diese Tätigkeit nicht eine notwendige Voraussetzung für eine Ausbildung des Kindes ist.
Begründet wird dies damit, dass dem Kind nach Abschluss seiner Schulausbildung die Obliegenheit zukommt, alsbald eine Berufsausbildung zu beginnen und diese mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener Zeit zu beenden. Demgegenüber wurde der Unterhaltsanspruch des Kindes als Ausbildungsunterhalt während des freiwilligen sozialen Jahres auch bejaht, obwohl diese Tätigkeit nicht für die weitere Ausbildung erforderlich ist.
Im vorliegenden Fall ist der Sohn noch minderjährig. In der veröffentlichten Rechtsprechung handelte es sich durchweg um volljährige Kinder, die nach Abschluss der allgemeinen Hochschulreife vor dem Einstieg in Ausbildung oder Studium ein freiwilliges soziales Jahr absolvierten.
Der minderjährige Sohn der Beteiligten genießt dennoch den Schutz des § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB. Denn dieser verpflichtet Eltern von minderjährigen Kindern, alles zu unternehmen, um deren Unterhalt sicherzustellen. Seine Obliegenheit zur Sicherstellung des eigenen Unterhalts ist unter dieser Prämisse zurückhaltender zu bewerten als die eines volljährigen Kindes.
Darüber hinaus ist dem Sohn im Rahmen seiner beruflichen Orientierung empfohlen worden, vor Beginn der angestrebten Ausbildung zum Altenpfleger gerade im Rahmen des freiwilligen sozialen Jahres die Möglichkeit zu nutzen, seine persönliche Eignung für diesen Beruf zu prüfen. Auch wenn das freiwillige soziale Jahr durch diese Empfehlung nicht als zwingende Voraussetzung für die spätere Ausbildung zählt, dient es jedoch im weitesten Sinne der Berufsfindung.
Der Beschluss ist nicht rechtskräftig. Das OLG Frankfurt hat u.a. im Hinblick auf die erörterten Fragestellungen zur Unterhaltslast während eines freiwilligen sozialen Jahres die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen.
Folgerungen aus der Entscheidung
Entgegen der herrschenden Meinung zieht das OLG Frankfurt den Ansatz vor, für die Zeit eines Freiwilligenjahres grundsätzlich einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt zu bejahen. Denn nach dem Gesetz zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten soll der Jugendfreiwilligendienst neben der beruflichen Orientierung und Arbeitserfahrung auch wichtige personale und soziale Kompetenzen vermitteln, die als Schlüsselkompetenzen auch die Arbeitsmarktchancen verbessern.
Aufgrund dieser pädagogischen Ausrichtung des freiwilligen sozialen Jahres erscheint es entgegen der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung durchaus vertretbar, auch für die Zeit eines freiwilligen sozialen Jahres dem Grunde nach einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt anzuerkennen.
Mit seiner Entscheidung regt das OLG die Prüfung der überwiegenden Meinung hinsichtlich der bisher geforderten grundsätzlichen Obliegenheit des Kindes an, nach dem Abschluss seiner schulischen Ausbildung alsbald eine Berufsausbildung zu beginnen und diese sodann mit Fleiß und gebotener Zielstrebigkeit in angemessener Zeit zu Ende zu führen.
Durch die Einordnung eines freiwilligen sozialen Jahres als „Testphase“ ist es als wesentlicher Baustein für die künftige Ausbildung zu werten. Selbst der BGH gesteht jungen Volljährigen eine Orientierungs- und Erprobungsphase während der Berufsfindung zu. Eltern werden sogar verpflichtet, gewisse Verzögerungen in der Ausbildung hinzunehmen und diese finanziell mitzutragen, soweit diese nur auf einem leichten Versagen beruhen.
Im vorliegenden Fall ist daher davon auszugehen, dass die Durchführung des freiwilligen sozialen Jahres auch der Weiterbildung und Ausbildung des minderjährigen Kindes dient, und demzufolge entsprechende Unterhaltszahlungen seitens der Eltern zu erfolgen haben.
Praxishinweis
Das freiwillige soziale Jahr ist der Berufsfindungsphase zuzuordnen, unerheblich ob das Kind volljährig oder minderjährig ist. Davon ausgehend, dass die Kinder diese Orientierungs- und Erprobungsphase ernsthaft zur eigenen Berufsfindung nutzen und für das spätere Arbeitsleben im Allgemeinen wichtige Schlüsselkompetenzen erwerben, sind Eltern zur finanziellen Unterstützung des Kindes verpflichtet.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 04.04.2018 – 2 UF 135/17
Quelle: Ass. jur. Nicole Seier