Sozialrecht -

Aufnahme von Geräten der nichtinvasiven Magnetfeldtherapie in das Hilfsmittelverzeichnis

Das BSG hatteim nunmehr zweiten Revisionsverfahren überdie Aufnahme von Geräten der sog nichtinvasiven Magnetfeldtherapie in das Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankensicherung (GKV) zu entscheiden.

BSG - Urteil vom 12.08.2009 - B 3 KR 10/07 R

Sachverhalt:

Die Klägerin produziert und vertreibt Geräte zur Elektrostimulation des Knochen- und Bindegewebes u.a. mit Geräten der nichtinvasiven Magnetfeldtherapie nach dem Magnetodyn®-Verfahren. Den Anwendungsbereich der Geräte sieht die Klägerin bei der Vorbeugung, bei Krankheiten oder nach Unfällen und Verletzungen; hierbei soll sich beschädigtes Gewebe weitgehend erneuern können.

Die zugrundeliegende Behandlungsmethode ist durch Beschluss des Arbeitsausschusses "Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden" (NUB-Ausschuss) des früheren Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (KKen) - vom 14.01.1992 von der vertragsärztlichen Versorgung ausgenommen worden.

Den im September 1996 gestellten Antrag auf Aufnahme der Geräte in das Hilfsmittelverzeichnis beschied der IKK-Bundesverband für die früher beklagten Spitzenverbände der KKen - seit dem 01.07.2008 abgelöst durch den Spitzenverband Bund der KKen als Funktionsnachfolger - mit der "Information", dass für eine erneute Einschaltung des NUB-Ausschusses kein Anlass bestehe und ohne Anerkennung der Behandlungsmethode eine Aufnahme der Geräte nach dem Magnetodyn®-Verfahren in das Hilfsmittelverzeichnis nicht in Betracht komme. Der therapeutische Nutzen des Verfahrens sei nicht belegt.

Das SG hat die damaligen Beklagten verurteilt, die Geräte M 60 und M 65 der nichtinvasiven Magnetfeldtherapie nach dem Magnetodyn®-Verfahren in das Hilfsmittelverzeichnis der GKV aufzunehmen (Urteil vom 21.01.1999). Das LSG hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil es sich bei der Ablehnung nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt habe (Urteil vom 08.07.1999). Dieses Urteil hat der erkennende Senat auf Revision der Klägerin aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen (Urteil vom 31.08.2000, BSGE 87, 105 = SozR 3-2500 § 139 Nr 1).

Das LSG hat den Bundesausschuss der Ärzte und KKen (heute: GBA) zum Verfahren beigeladen und Beweis erhoben über die Studienlage zur nichtinvasiven Magnetfeldtherapie nach dem Magnetodyn®-Verfahren und ihrem therapeutischen Nutzen; sodann hat es die erstinstanzliche Entscheidung geändert und die um das Gerät M 80 erweiterte Klage abgewiesen: Die Zuständigkeit des GBA für Richtlinien nach § 92 SGB V dürfe auch bei einer mit einem Hilfsmittel verknüpften neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode nicht unterlaufen werden. Die Spitzenverbände der KKen seien zur Prüfung des therapeutischen Nutzens eines Hilfsmittels im Rahmen einer bislang nicht anerkannten Behandlungsmethode nicht befugt, wohl aber berechtigt und verpflichtet, auf eine Aktualisierung der Richtlinien hinzuwirken. Zu einem Einwirken auf den GBA durch Antragstellung nach § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V hätten sich die Beklagten aber nicht gedrängt fühlen müssen, da ausreichend valide Unterlagen für eine Neubewertung der nichtinvasiven Magnetfeldtherapie nach dem Magnetodyn®-Verfahren nicht vorlägen.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Der auf neue Wirksamkeitsnachweise gestützte Antrag auf Aufnahme eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis der GKV verpflichte zur unverzüglichen Einleitung eines Verfahrens nach § 135 Abs 1 SGB V und einer entsprechenden Antragstellung durch den nunmehrigen Beklagten, falls das Hilfsmittel erst nach positiver Empfehlung des GBA in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen werden könne. Unterbleibe das, müsse das angerufene Gericht selbst über den medizinischen Nutzen sowie die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit des Hilfsmittels entscheiden. Zudem habe das LSG die vorhandenen Beweise unzutreffend bewertet und sei hilfsweise gestellten Beweisanträgen nicht gefolgt.

Entscheidung:

Der Senat hat die in der mündlichen Verhandlung auf die Geräte M 60 und M 65 beschränkte Revision zurückgewiesen. Die Klägerin hat zwar grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Eintragung ins HMV, soweit die hierfür maßgeblichen gesetzlichen Voraussetzungen des § 139 SGB V erfüllt sind. Im vorliegenden Fall handelte sich jedoch um die Eintragung von Hilfsmitteln zur Unterstützung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode, sodass der Anspruch nicht losgelöst von § 135 Abs 1 SGB V beurteilt werden konnte.

Danach gilt, von eng umgrenzten und hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen: Solange das Magnetodyn®-Verfahren nicht als Untersuchungs- und Behandlungsmethode anerkannt ist, kann vom Grundsatz her auch keine Aufnahme entsprechender Hilfsmittel in das Hilfsmittelverzeichnis erfolgen.

Gleichwohl ist die Klägerin wegen der verfassungsrechtlichen Garantien des Art 12 GG nicht schutzlos. Die Antragsbefugnis des Spitzenverbandes aus § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V verdichtet sich nämlich zu einer auch im Interesse der Leistungserbringer wahrzunehmenden - und im Verfahren nach § 139 SGB V notfalls im Wege der Leistungsklage durchsetzbaren - Antragspflicht, sobald nach dem Stand der medizinischen Erkenntnisse eine positive Abschätzung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V durch den GBA wahrscheinlich ist und im Übrigen eine positive Bewertung der Methode nicht aus anderen Gründen (z.B. mangelhafte Wirtschaftlichkeit) ausgeschlossen erscheint.

Das erfordert zumindest ausreichende Anhaltspunkte für die medizinische Wirksamkeit der Methode und des zu ihrer Anwendung eingesetzten Hilfsmittels. Voraussetzung dafür ist schon nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG, dass die Wirksamkeit der neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen aufgrund wissenschaftlich einwandfrei geführter Studien und Statistiken belegt ist.

Ein diesen Maßstäben gerecht werdender Beleg für den therapeutischen Nutzen der Magnetodyn®-Methode lässt sich gegenwärtig nicht feststellen. Der Anwendungsbereich betrifft weder besonders seltene, systematischer Erforschung sich entziehende Erkrankungen noch solche mit einem lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Verlauf, weshalb für eine Beurteilung nach dem Maßstab einer herabgesetzten Evidenz kein Grund besteht. Zudem ergibt sich aus den vom LSG erhobenen - und vom Senat als generelle Tatsache verwerteten - Fachgutachten, dass zur Wirksamkeit der Magnetodyn®-Methode und seiner unterstützend eingesetzten Hilfsmittel M 60 und M 65 derzeit hinreichend gesicherte medizinische Studien nicht vorliegen. Keiner der Gutachter konnte Angaben zur Übertragbarkeit von bereits vorliegenden Studien der Evidenzklasse I für Geräte der nichtinvasiven Magnetfeldtherapie auf die hier streitige Magnetodyn®-Methode machen. Selbst der vom LSG auf Vorschlag der Klägerin benannte Gutachter Prof. Dr. G. hat dafür keinen Hinweis gefunden. Zwar ist er von einer Vergleichbarkeit der Methoden ausgegangen; nach seiner sachverständigen Einschätzung konnte der komplexe Wirkungsmechanismus zwischen den elektrischen und magnetischen Feldwirkungen auf der molekularen und zellularen Ebene und den biologisch-chemischen Strukturen bisher aber nur sehr eingeschränkt festgestellt werden. Zum anderen ist der Wert seiner Beurteilung deshalb gemindert, weil er - worauf schon das LSG zutreffend hingewiesen hat - sich nach eigenem Bekunden nicht auf die Maßstäbe der evidenzbasierten Medizin bezogen, sondern den medizinischen Nutzen aus eigenen Erwägungen hergeleitet hat.

Zur Feststellung der Leistungspflicht der GKV kommt es jedoch nicht auf die Auffassung Einzelner, sondern auf den weitgehenden Konsens der beteiligten Fachleute an. Dass derzeit eine solch positive Einschätzung zur Magnetodyn®-Methode und der dabei zum Einsatz kommenden Hilfsmittel besteht, hat keines der vom LSG eingeholten Gutachten belegen können.

Entgegen der Ansicht der Klägerin konnte der Senat sich nicht über die gesetzlichen Wertungsvorgaben der § § 135 und 139 SGB V hinwegsetzen und unmittelbar selbst über die Voraussetzungen bzw Zulassung einer neuen Methode entscheiden. Sollte die frühere Entscheidung des Senats vom 31.08.2000 so verstanden worden sein, beruht das auf einer Fehlinterpretation, die bereits seit der weiteren Entscheidung des Senats vom 28.09.2006 (VACOPED) ausgeräumt ist.

Quelle: BSG - Pressemitteilung vom 13.08.09