Sozialrecht, Arbeitsrecht -

Arbeitsverträge: Unwirksame Verfallklausel und Mindestlohn

Eine vom Arbeitgeber vorformulierte Verfallklausel in einem Arbeitsvertrag, die alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und damit auch den garantierten Mindestlohn erfasst, ist insgesamt unwirksam, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 31.12.2014 geschlossen wurde. In diesen  Fällen liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor. Das hat das BAG entschieden.

Sachverhalt

Ein Fliesenleger war auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Im Arbeitsvertrag war u.a. ein Urlaubsanspruch von jährlich 25 Arbeitstagen geregelt. Außerdem hatten die Parteien eine Verfallfrist vereinbart. Wörtlich stand im Arbeitsvertrag:

„§ 11 Verfallfristen
Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind.“

Dann erhielt der Arbeitnehmer im Juni 2016 eine fristlose und vorsorglich eine ordentliche Kündigung. Gegen die Kündigungen klagte er und Mitte August 2016 schlossen die Parteien vor dem Arbeitsgericht einen Vergleich. Darin wurde geregelt, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der fristgemäßen Kündigung aus betrieblichen Gründen geendet hatte.

Der Arbeitgeber verpflichtete sich, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abzurechnen und sich ergebende Beträge bis Mitte September 2016 zu zahlen. Damit sollten sämtliche gegenseitige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung erledigt sein.

Der Arbeitgeber hielt sich soweit an den Vergleich, rechnete aber nicht die noch offenen Urlaubstage ab. Der Fliesenleger wollte aber seine Urlaubsabgeltung für 20 Urlaubstage i.H.v. 1.766 € brutto erhalten und klagte erneut – allerdings erst im Januar 2017.

Der Arbeitgeber meinte nun, der Anspruch sei aufgrund der arbeitsvertraglichen Verfallklausel nicht mehr durchsetzbar. Schließlich hatte das Arbeitsverhältnis bereits im Juni 2016 geendet und von da ab liefen die arbeitsvertraglich vereinbarten drei Monate.

Der Fliesenleger war aber der Auffassung, dass die Ausschlussfrist unwirksam sei. Dazu trug er eine Reihe von Argumenten vor. Er meinte, er sei von seinem Arbeitgeber bei Abschluss des gerichtlichen Vergleichs arglistig über seine Bereitschaft getäuscht worden, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abzurechnen.

Eine schriftliche Geltendmachung sei nicht erforderlich gewesen, da der Anspruch konkludent mit der Kündigungsschutzklage geltend gemacht worden sei. Außerdem hing der Abgeltungsanspruch vom Ausgang der Kündigungsschutzklage ab. Auch nach Abschluss des Vergleichs sei er nicht verpflichtet gewesen, den Abgeltungsanspruch schriftlich zu beziffern und geltend zu machen.

Denn der Arbeitgeber habe hierauf zumindest konkludent verzichtet. Das folge aus seiner im Vergleich eingegangenen Verpflichtung, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abzurechnen und sich daraus ergebende Nettobeträge zu zahlen – und dazu würde auch der Urlaubsabgeltungsanspruch gehören. Insoweit sei die Berufung auf die Ausschlussfrist treuwidrig.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Der Fliesenleger hatte einen Anspruch auf die Urlaubsabgeltung, allerdings lediglich für 19 Tage. Somit hat er 1.687,20 € brutto erhalten. Er musste seinen Anspruch auch nicht innerhalb der vertraglichen Ausschlussfrist geltend machen. An die Begründung dafür hatte der Arbeitnehmer allerdings sicherlich nicht gedacht.

Denn die Ausschlussklausel verstieß gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie ist nicht klar und verständlich, weil sie entgegen § 3 Satz 1 MiLoG den ab dem 01.01.2015 zu zahlenden gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnimmt. Die Klausel konnte deshalb auch nicht für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 306 BGB aufrechterhalten werden.

Der § 3 Satz 1 MiLoG lautet: „Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam.“

Folgerungen aus der Entscheidung

Eine vom Arbeitgeber vorformulierte arbeitsvertragliche Verfallklausel, die ohne jede Einschränkung alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und damit auch den ab dem 01.01.2015 von § 1 MiLoG garantierten Mindestlohn erfasst, ist also unwirksam. Sie verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Das gilt aber nach dem BAG nur für die Arbeitsverträge, die nach dem 31.12.2014 geschlossen wurden.

Praxishinweis

Ausschlussklauseln, die Mindestlohnansprüche des Arbeitnehmers mitumfassen, sind insgesamt unwirksam. Auch der § 9 Satz 3 AEntG ist ein Verbotsgesetz i.S.d. 134 BGB. Damit sollte sich gar nicht die Frage stellen, ob eine Klausel AGB-rechtswidrig ist oder nicht. Vielmehr ist eine Bestimmung, die gegen das gesetzliche Verbot verstößt, eigentlich per se unwirksam.

Dies gilt allerdings nicht für vollumfassende Ausschlussklauseln in Altverträgen: Derartige Klauseln sind nur insoweit nichtig, als sie sich auf den Mindestlohn erstrecken, bleiben im Übrigen aber wirksam. Ob die Rechtsprechung des BAG zu den Altverträgen tatsächlich Bestand haben wird, bleibt abzuwarten.

Es könnte auch so argumentiert werden: Ein Altvertrag liegt dann vor, wenn der Arbeitsvertrag spätestens am Tag vor dem Inkrafttreten des Tarifautonomiestärkungsgesetzes (16.08.2014) abgeschlossen wurde. Es käme dann nicht auf den 01.10.2015 an, mithin das Datum, zu dem der gesetzliche Mindestlohn fällig wurde. Aber das scheint das BAG jedenfalls derzeit noch anders zu sehen.

BAG, Urt. v. 18.09.2018 – 9 AZR 162/18

Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Arno Schrader