Sozialrecht -

Arbeitslosengeld II - Eingeschränkte Pflicht zur Verwertung von Lebensversicherungen

Die Pflicht zur Verwertung von Lebensversicherungen kann bei langjährig Selbständigen eine besondere Härte bedeuten.

Abhängig ist dies davon, inwieweit beim Bezugsberechtigteneine Versorgungs­lücke besteht.

Sachverhalt:

Die 1950 geborene schwerbehinderte Klägerin, die überwiegend selbständig tätig war, ohne Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet zu haben, beantragte im Dezember 2005 bei dem beklagten Grundsicherungsträger Arbeitslosengeld II (Alg II). Sie verfügte seinerzeit über sieben Kapitallebensversicherungen mit einem Rückkaufwert von ca 80.000 Euro, weswegen die Beklagte den Antrag der Klägerin ablehnte. Die dagegen erhobene Klage blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg.

Entscheidung:

DasBundessozialgericht hat das Urteil des Landessozialgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landes­sozialgericht zurückverwiesen. In der Sache hat das Bundessozialgericht entschieden, dass bei lang­jährig Selbständigen eine Pflicht zur Verwertung von Lebensversicherungen wegen Vorliegens eines Härtefalls ausscheiden kann, wenn eine Kumulation von Umständen vorliegt. Ob dies bei der Klägerin der Fall war, konnte der Senat allerdings wegen fehlender Feststellungen des Landessozialgerichts nicht abschließend entscheiden. Das Landessozialgericht hat zu Unrecht auch bei der überwiegend selbständig tätig gewesenen Klägerin das Vorliegen eines Härtefalls schon deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, die Verwertung ihrer Lebensver­sicherungsverträge vor Eintritt in den Ruhestand vertraglich in der Form auszuschließen, wie sie von § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II gefordert wird. Das Landessozialgericht ist insofern in Bezug auf Hilfebedürftige, die im Verlauf ihres Erwerbslebens überwiegend nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung pflicht­versichert waren, von einem zu strengen, rechtlich unzutreffenden Maßstab ausgegangen. Maßgebend ist insoweit lediglich, ob die Lebensversicherungsverträge objektiv und subjektiv zur Altersvorsorge zweckbestimmt waren.

Um feststellen zu können, ob die geforderte Verwertung der Lebensversicherungen der Klägerin für diese eine besondere Härte im Sinne des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6, 2. Alternative SGB II bedeuten würde, wird das Landessozialgericht zu ermitteln haben, inwieweit bei der Klägerin eine Versorgungs­lücke be­steht. Dies liegt bereits deshalb nahe, weil die Klägerin bei Vollendung des 65. Lebensjahres nur mit einer monatlichen Rente aus der gesetz­lichen Rentenversicherung in Höhe von 257,10 Euro rechnen kann. Hierbei wird auch zu ermitteln sein, über welches Restleistungsvermögen die Klägerin verfügt. Ihr wurde ein GdB von 50 zuerkannt. Das Bundessozialgericht geht dabei davon aus, dass die Rest­leistungsfähigkeit auch Indiz dafür sein kann, inwiefern die Klägerin überhaut noch in der Lage sein wird, eine neue, zusätzliche Rentenanwartschaft durch Erwerbstätigkeit aufzubauen. Gegebenenfalls wird auch zu berücksichtigen sein, aus welchem Grund und für welche Dauer der Klägerin Berufs­unfähig­keitsrenten gewährt werden, sowie über welche Berufsausbildungen und Fertigkeiten die Klägerin verfügt. Das Landessozialgericht wird auch zu berück­sichtigen haben, dass die besondere Härte im Sinne dieser Regelung möglicherweise noch nicht zu Beginn des Bewilligungszeitraums vorlag, als die Klägerin 55 Jahre alt war, gegebenenfalls aber später im Verlauf des Rechtsstreits ein­getreten sein könnte.

Quelle: BSG - Pressemitteilung vom 07.05.09