Das Amtsgericht München hat die Klage einer Bergsteigerin gegen einen Bergreiseveranstalter auf Zahlung für nicht mehr in Anspruch genommene Bergführerkosten und Kosten für die selbst organisierte Rückreise abgewiesen. Die Frau hatte eine Bergtour wegen Krankheit vorzeitig abgebrochen. Das Gericht ging aber im Streitfall vom Vorliegen sog. „Sowieso-Kosten“ aus.
Darum geht es
Die Klägerin und ihr Ehemann buchten bei der Beklagten für August 2019 eine sechstägige geführte Bergtour (zehn berühmte Viertausender im Wallis mit Signalkuppe 4554 m) zum Gesamtreisepreis in Höhe von 2.030 €.
Die Klägerin trägt vor, schon am Nachmittag des zweiten Tages unter drückenden Kopfschmerzen, laufender Nase und hörbar eingeschränkter Atmung gelitten zu haben. Weder sei, unter Bezugnahme auf eine drohende Schlechtwetterfront, das Tempo gedrosselt noch ein Abstieg angeboten worden.
Am Folgetag habe sie trotz eitrigem grünen Nasensekret, Husten und Fieber eine achtstündige Tour zur Quintino-Sella Hütte auf 3600 m bewältigen müssen. Man habe sie wie einen Hund hinter sich hergezogen.
Als sie zusätzlich noch Schüttelfrost bekommen habe, habe sie die beiden Bergführer am nächsten Morgen um 4:00 Uhr informiert, dass sie die Tour nicht fortsetzen könne. Auf ihre Bitten oder denen ihres Ehemannes, sie zum Ausgangspunkt zu begleiten oder einen Hubschrauber zu organisieren, sei ihr erklärt worden, dass sie den einfachen Abstieg alleine machen könne.
Der Ehemann habe die Bergtour um 4:45 Uhr mit den anderen fortgesetzt, nachdem ihm die Bergführer gesagt hätten, er solle sich nicht so haben, seine Frau benötige keinen Babysitter. Erst später sei ihm aufgegangen, einen Fehler begangen zu haben.
Nach dreizehn Stunden Rückweg und -fahrt zum Ausgangspunkt und dortiger Übernachtung sei bei ihr, endlich nach München zurückgekehrt, ein beidseitiger Paukenerguss und eine fiebrige akute „Sinusitis Maxiliaris“ bestätigt worden. Die Klägerin könne auf einem Ohr bis heute keinen Druckausgleich mehr durchführen, so dass ihr u.a. Flüge unmöglich geworden seien.
Die Bergführer hätten im eklatanten Maße ihre Pflichten verletzt, da sie eine schwer kranke Person ihrem Schicksal überlassen hätten. Sie hätten sie bergabwärts zur nächsten Station bzw. Krankenhaus bringen müssen, wo die Klägerin hätte ärztlich versorgt werden können.
Die Beklagte behauptet umgekehrt, die Klägerin habe am zweiten Tag die Tour auf eigenen Wunsch fortgesetzt und verweist darauf, dass sie den Abstieg ins Tal dann selbstständig und ohne ihren Mann angetreten habe.
Da der Ehemann die Bergtour mit den Bergführern fortgesetzt hat, habe es für die Bergführer keinerlei Anlass zur Annahme gegeben, dass die Klägerin Hilfe benötigen würde und den Abstieg nicht hätte alleine meistern können.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Amtsgericht München hat die Klage der Bergsteigerin gegen den Bergreiseveranstalter auf Zahlung von 800 € für nicht mehr in Anspruch genommene Bergführerkosten und 189,87 € an Kosten für die selbst organisierte Rückreise abgewiesen.
Die Klägerin macht Ansprüche wegen fehlender Inanspruchnahme eines Bergführers geltend sowie Kosten für Übernachtungen, Lift, Bustickets und Zug sowie Rückfahrt privater Pkw, Gebühren für Attest und Apotheke.
Nach eigenem Vortrag der Klägerin ist die Beistandspflicht nicht verletzt worden. Nach der Darstellung der Klägerin wurde die Reise auch nicht mangelhaft erbracht, weshalb ein Schadensersatzanspruch ausscheidet.
Selbst wenn der Gesundheitszustand der Klägerin und die Umstände der Rückkehr es erfordert hätten, dass die Klägerin bei dem Abstieg von einem Bergführer begleitet wird, so wären die Kosten für eine Nichtinanspruchnahme des Bergführers dennoch nicht als Schadensersatzanspruch begründet.
Die Klägerin hat eine sechstägige Bergtour mit Bergführer gebucht. Die geplante Bergtour mit Bergführern war der Klägerin ab dem vierten Tag deshalb nicht möglich, weil dies ihr Gesundheitszustand nicht erlaubt hat. Dies liegt nicht im Verantwortungsbereich der Beklagten, sondern demjenigen der Klägerin.
Da die Bergtour aber mit den anderen Reisenden durchgeführt wurde, sind die im Reisepreis enthaltenen Kosten für die Bergführer auch angefallen. Die Beklagte hat sich durch die im eigenen Verantwortungsbereich liegende Rückkehr der Klägerin keine Kosten erspart.
Auch wenn man unterstellt, dass es sinnvoll gewesen wäre, dass ein Bergführer die Klägerin bei der Rückkehr begleitet, so wären die weiteren geltend gemachten Kosten auch entstanden, wenn die Klägerin ein Bergführer begleitet hätte. Es handelt sich dabei um sogenannte „Sowieso-Kosten“, die von der Beklagten nicht zu erstatten sind.
Da die Voraussetzungen einer Anspruchsgrundlage nicht gegeben sind, war die Klage als unbegründet zurückzuweisen.
Das Urteil ist nach Berufungsrücknahme rechtskräftig.
Amtsgericht München, Urt. v. 13.07.2020 - 123 C 5705/20
Quelle: Amtsgericht München, Pressemitteilung v. 08.01.2021