Eine in der Gemeinschaftsordnung unbeschränkt erlaubte Nutzungsänderung ermöglicht auch ein Miteinander von gewerblicher Nutzung und einer solchen zu Wohnzwecken. Das hat das Amtsgericht München entschieden. Das Gericht stellte in dem Verfahren zudem klar, dass eine Markise, die ohne einen (nach der Gemeinschaftsordnung) erforderlichen Beschluss angebracht wurde, entfernt werden muss.
Darum geht es
Die klagende Rechtsanwältin und der beklagte Verpächter sind Mitglieder einer WEG. Die Klägerin ist Eigentümerin im ersten Stock gelegener Räume, die in der Teilungserklärung als „Gewerbliche Einheit“ bezeichnet werden und ihr als Kanzleisitz dienen. Sie nutzt eines der Zimmer zu Wohnzwecken. Der Beklagte ist Eigentümer der direkt darunter im Erdgeschoss gelegenen Teileigentumseinheit, die als „Gewerbliche Einheit (Tagescafé und Laden)“ bezeichnet ist.
Die Gemeinschaftsordnung enthält folgende „Gebrauchsregelung: „Die jeweiligen Inhaber der Teileigentumsrechte (gewerbliche Einheiten) sind berechtigt, diese auch zu anderen Zwecken, auch zu Wohnzwecken, ohne jede Einschränkung der Nutzungsart zu nutzen. Dies gilt, soweit nicht behördliche Bestimmungen entgegenstehen.“
Eine weitere Regelung besagt: „Zur Anbringung von Außenmarkisen bedarf es des Beschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft mit einfacher Mehrheit.“
Der Beklagte hat seine Einheit an einen Gastwirt verpachtet, der auch die Außenterrasse nutzt. Über ihr ist seit 2016 eine etwa 4 - 5 m auskragende motorbetriebene helle Markise angebracht. Die Markise befindet sich direkt unterhalb der Fenster der Klägerin. Es liegt kein die Anbringung der Markise genehmigender Eigentümerbeschluss vor.
Die Klägerin macht geltend durch Motorengeräusche und Vibrationen beim Ein- und Ausfahren sowie durch die Blendwirkung der ausgefahrenen Markise erheblich gestört zu werden. Die Markise verändere das äußere Erscheinungsbild der Fassade.
Obwohl in den Räumen des Klägers nur ein Tagescafé betrieben werden dürfe, werde das Restaurant als italienisches Speiserestaurant in den Sommermonaten mit entsprechender Lärmbelästigung oftmals weit über 22 Uhr hinaus betrieben. Sie beantragt neben der Entfernung der Markise die Einstellung des Restaurantbetriebes bis jeweils spätestens 22 Uhr.
Der Beklagte verlangt umgekehrt der Klägerin zu verbieten, ihre Räume zu Wohnzwecken zu nutzen. Eine Genehmigung der Nutzungsänderung der Gewerbeeinheit der Klägerin zu Wohnzwecken sei nicht eingeholt worden. Würde die Klägerin ihre Räume nur als gewerbliche Einheit nutzen, so würde sie der Gaststättenbetrieb abends und nachts nicht stören.
Ihm seien Betriebszeiten bis 24 Uhr für den Gastraum und 22 Uhr für den Wirtschaftsgarten behördlich genehmigt worden.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Der zuständige Richter am Amtsgericht München bejahte lediglich den Anspruch auf Entfernung der Markise. Das Gericht verurteilte insoweit den beklagten Verpächter, dafür Sorge zu tragen, dass die an der Fassade der von ihm in München-Berg am Laim verpachteten Gaststätte angebrachte Markise entfernt wird. Im Übrigen wurden die gegenseitigen Klagen abgewiesen.
Die streitgegenständliche Markise ist zum einen eine gegenständliche Umgestaltung des Gemeinschaftseigentums, indem sie das äußere Erscheinungsbild der im Gemeinschaftseigentum stehenden Sondernutzungsfläche verändert.
Dies zeigen bereits die vom Gericht in Augenschein genommenen Lichtbilder. Zum anderen bedeutet die feste Verankerung der Markise in der Außenwand des Anwesens und des Stützgerüstes der Markise im Boden der Sondernutzungsfläche einen Eingriff in die Substanz des gemeinschaftlichen Eigentums. Unstreitig fehle es aber am deswegen erforderlichen Gemeinschaftsbeschluss der WEG.
Ein Restaurant sei zwar kein Tagescafé und gewerbliche Nutzung von Räumen sei auch grundsätzlich nicht mit Wohnzwecken vereinbar. Die Gemeinschaftsordnung erlaube aber ausdrücklich eine jeweils andere Nutzung, insbesondere auch zu Wohnzwecken, ohne jede Einschränkung der Nutzungsart.
Die allgemein geltende gesetzliche Verpflichtung von dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst, sei hier ebenfalls nicht verletzt.
Das Urteil ist nach Rücknahme der Berufung rechtskräftig.
Amtsgericht München, Urt. v. 18.04.2018 - 481 C 16896/17 WEG
Quelle: Amtsgericht München, Pressemitteilung v. 23.11.2018