Das Amtsgericht München hat einen Grundstückseigentümer dazu verurteilt, eine an der Grundstücksgrenze stehende Scheinzypresse ohne Wurzelstock zu beseitigen. Die etwa 9 Meter hoch gewachsene Pflanze hatte laut einem Sachverständigengutachten mit ihren Wurzeln Schäden an einer Garage des Nachbarn verursacht. Dabei lehnte das Gericht eine Verjährung des Beseitigungsanspruchs ab.
Darum geht es
Grund des Rechtsstreits zwischen den Grundstücksnachbarn in München war eine auf dem Beklagtengrundstück mit einem Abstand von weniger als einem halben Meter von der Grundstücksgrenze der Kläger befindliche zweistämmige Scheinzypresse mit einer Höhe von etwa 9 Meter und einem Stammumfang von 115 und 110 cm.
Die Kläger trugen vor, dass sich das Wurzelwerk der Scheinzypresse mit zunehmendem Wachstum auch unterhalb ihrer Garage derart ausgebreitet habe, dass durch die Wurzeln das Fundament des Gebäudes angehoben würde.
Dadurch könne die Tür der Garage kaum mehr geöffnet werden, und in der Seitenwand des Gebäudes seien Risse entstanden. Bei weiterem Wachstum der Scheinzypresse und entsprechender Ausdehnung des Wurzelwerks drohten weitere massive Beschädigungen des Garagengebäudes.
Diese Beeinträchtigung ihres Eigentums könne nur durch Beseitigung der Scheinzypresse verhindert werden.
Der Beklagte beantragte Klageabweisung und trug insbesondere vor, die Garage der Kläger verfüge über kein notwendiges und geeignetes Fundament, welches dem Wurzelwerk der ortsüblichen Bepflanzung Stand halte.
Das Wurzelwerk des Baumes sei bereits Jahrzehnte alt und nicht erst in den letzten drei Jahren entstanden, so dass dem klägerischen Anspruch die Einrede der Verjährung entgegengehalten werde.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Amtsgericht München hat der Klage vollumfänglich stattgegeben und den Beklagten zur Beseitigung der auf seinem Grundstück an der Grundstücksgrenze zum Klägergrundstück neben dem dort befindlichen Garagengebäude stehenden Scheinzypresse (ohne Entfernung des Wurzelstocks) verurteilt.
Der ergibt sich demnach aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Eine Beeinträchtigung des Eigentums der Klagepartei steht nach dem Gericht vorliegend fest aufgrund der nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen, aus denen sich unzweifelhaft eine Substanzverletzung an der im Eigentum der Klagepartei stehenden Garage ergebe.
Laut Sachverständigem sind folgende Schäden an der Garage vorhanden: Die entlang der Grundstücksgrenze verlaufende Außenwand zeigt innen und außen mehrere Risse. Die Risse reichen am Mauerkopf bis auf den Boden.
Auf der Innenseite reicht ihr Verlauf ca. 140 cm weit diagonal schräg nach oben. Die Risse verlaufen vorne um den Mauerkopf über Eck. Es verlaufen mehrere Parallelrisse versetzt. Die Rissweiten reichen von 0,4 mm am Mauerkopf bis 0,5 mm im hinteren Wandbereich.
Beim Garagentor klemmen die Torflügel, die Türflügel sitzen verkeilt in der Zarge und schlagen gegeneinander. Die Feststellflügel schleifen am Boden.
Der Baumstamm mit einem Durchmesser von ca. 70 cm reicht an seinem Fußpunkt bis an den Grenzstein und an die Außenwand der Garage. Neben dem Versatz der Zarge sind Mauerwerk und Randstein durch den vom Baum ausgehenden Druck gerissen.
Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die von ihm festgestellten Schäden am Mauerwerk auf den durch das Wachstum des angrenzenden Baumstamms aufgebauten Drucks zurückzuführen seien.
Zur Erfüllung der Unterlassungsverpflichtung schuldet der Beklagte vorliegend die Ent-fernung der Scheinzypresse.
Zwar trifft den Beklagten aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB (nur) eine Unterlassungsverpflichtung, die auch künftig drohende Beeinträchtigung kann vorliegend jedoch nur durch aktives Eingreifen verhindert werden.
Grundsätzlich steht es dem Beklagten frei, zwischen verschiedenen Abhilfemaßnahmen zu wählen, andere Maßnahmen als die Entfernung der Scheinzypresse kommen vernünftigerweise jedoch nicht ernsthaft in Betracht.
Wie der Sachverständige überzeugend darlegte, müsste der Stamm in Richtung des klägerischen Grundstücks an der Basis um mindestens 10 cm in der Breite angeschnitten und mitsamt der mit diesem Stammteil verbundenen Wurzelanläufe bis auf das Gründungsniveau der Garage ausgesägt werden, um eine weitere Druckausübung auf die Garage infolge des Dickenwachstums des Baumes zukünftig bzw. dauerhaft zu vermeiden.
Durch einen derartigen Eingriff entstehe eine irreversible großflächige Verletzung im nährstoff- und wasserführenden Bast- und Holzteil des Hauptstammes. Selbst wenn der Baum den Eingriff überlebe, wäre die Standfestigkeit infolgedessen künftig nicht mehr sichergestellt.
Mit dem Sachverständigen geht das Gericht davon aus, dass die unterhalb der Schwelle der Entfernung der Scheinzypresse liegenden Maßnahmen Auswirkungen auf die Stand- und Verkehrssicherheit haben. Sie sind daher als alternative mildere Mittel auszuschließen.
Der geltend gemachte Anspruch ist auch nicht verjährt. Selbst wenn man die Verjährbarkeit eines Unterlassungsanspruchs nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB bejaht, wäre ein Verjährungseintritt vorliegend nicht festzustellen.
Entscheidend für den Beginn der Verjährung ist nicht etwa der Zeitpunkt der Anpflanzung, sondern gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit Entstehung des Anspruchs und Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis des Gläubigers von den den Anspruch begründeten Umständen.
Nachdem ein sicherer Zeitpunkt des Auftretens der Schäden an der Garage im Jahr 2014 oder früher in einer Art und Weise, dass sie der Klagepartei nicht hätten verborgen bleiben können, nicht bestimmt werden konnte, konnte die Einrede der Verjährung nicht wirksam erhoben werden.
Amtsgericht München, Urt. v. 30.05.2022 - 155 C 10864/18
Quelle: Amtsgericht München, Pressemitteilung v. 24.04.2023